Im Netz der Meister 2
Fesseln bitte nur im Sitzen, nicht im Stehen, und bitte nicht mit den Armen über dem Kopf, dann würden ihr die Arme einschlafen. Keine Handschellen, die Kanten seien zu scharf und würden an der Haut schmerzen. Keine Klammern, nirgends, weil sie das nicht ertragen könne. Natursektspiele waren natürlich ausgeschlossen, über Kaviar brauchten wir nicht reden. Verleihen war tabu, Fremdbenutzung nicht möglich.« Gerald schwieg einen Moment, dann sagte er: »Das meiste hätte ich sowieso nicht gewollt, aber wenn du das vorher schon verkündet kriegst, ist es der Hit. Irgendwann war’s mir egal und ich wollte wenigstens ein bisschen Spaß haben. Hab deutlich mit ihr geredet, alte ›Dreckschlampe‹ zu ihr gesagt. Du hättest sie sehen sollen!«
Ein Schüppchen habe sie gezogen und die grünen Augen hätten sich langsam mit Tränen gefüllt. So was ertrage sie nicht, hatte Anna geflüstert, sie sei etwas Besonderes, jawohl, und besonders, so wolle sie auch behandelt sein. Dirty Talk bringe sie sehr schnell auf den harten Boden der Gewöhnlichkeit und verscheuche das watteweiche Zauberfühlen.
Gerald und Simone lachten.
»Was macht so eine Frau mit jemandem wie Leo? Und vor allem: Was macht sie in einem SM-Forum?«, fragte Simone.
»Keine Ahnung. Sie liebt die starken Typen, Protagonisten am Abgrund, wie sie sagt.«
»Ach, und Leo ist so einer?«
»Weiß nicht. Er hat Geld und hält sie aus, kauft ihr Klamotten, überweist ihr Taschengeld, ab und zu darf er sie verbal ein bisschen dominieren. Er sagt dann so was wie: ›Ich wünsche, dass du heute Abend keine Wäsche trägst!‹ Oder er befiehlt ihr im Restaurant, was sie essen und trinken soll. Klar wählt er nur aus, was sie mag. Und dann ist sie ganz brav und gehorcht ihm.«
»Das hat er mir aber damals auf dem Chattertreffen ganz anders dargestellt«, erinnerte sich Simone. »Habt ihr denn vorher nicht darüber geredet, dass sie keinen SM will? Und keinen Sex? In den Mails, meine ich, ihr habt euch doch so oft geschrieben.«
»Doch. Da war sie aber ganz offen. Besonders, wenn sie ihre Sachen mit Zoe unterschrieben hat, das war manchmal richtig schön versaut. Sonst hätte ich doch gar kein Interesse an dem Date gehabt. Ich bin auch nur ein Mann. Genau tausendeinhundertelf Mails haben wir gewechselt. Sie hat sie gezählt und nummeriert. Sie hat sie ausgedruckt und in einen Ordner geheftet. Sie hat mir auch gesagt, wann ich online war in den letzten Tagen und wie lange, in Stunden und Minuten!«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Sie hat auch eine Liste über deine Onlinezeiten, macht Screenshots von Threads in den Foren und archiviert sie.«
»Wozu ist das gut? Was macht man mit Bildschirmfotos aus einem halb öffentlichen Forum, in dem sowieso jeder fast alles lesen kann?«
Gerald zuckte die Schultern. »Mir egal. Ich hab jedenfalls die Nase voll von ihr. So ein Reinfall. Willst du noch mehr Details wissen?«
Simone überlegte kurz. »Ja.« Es war besser, die Wahrheit zu kennen, als sich was auszumalen.
Gerald nahm einen großen Schluck Kaffee. »Ich wollte, dass sie mir einen bläst.« Er sah dem Rauch seiner Zigarette nach, als gebe es nichts Interessanteres in diesem Moment.
Simone ignorierte ihre Eifersucht und fragte: »Ja. Und?«
»Nix. Tabu. Blasen ist tabu. Das kann sie nicht, weil sie dann immer so einen Würgereiz bekommt und dunkle Panik sie ergreift.«
Simone tippte sich mit dem Finger an die Stirn und schüttelte den Kopf. Das klang alles absurd. »Was hat sie denn von eurem Date erwartet? Ich meine, sie hat Bilder von ihrer Möse im Profil, sie ist im HLF, was sucht sie da, wenn nicht SM? Oder ist sie nur zu schüchtern?«
»Hab ich auch gefragt. Nein, schüchtern sei sie nicht, nur verhalten und vorsichtig. Ich müsse sie ein bisschen lieben, damit sie mir meine Wünsche erfüllen könnte, und dafür seien Glöckchenworte nötig, die in ihren Ohren klingen und klingeln müssten. Den Pfad der Zärtlichkeiten müsse ich gehen und ihr zeigen, dass sie so, wie sie ist, ganz heil und in Ordnung sei.«
»Gerald, das klingt nach Psychose und nicht nach Erotik und Geilheit! Hast du sie echt nicht gevögelt?«
»Wo denkst du hin! Nix reinstecken. Reinstecken ist tabu.«
»Aber du warst die ganze Nacht mit ihr zusammen! Warum bist du nicht nach Hause gekommen?«
»Ein bisschen kam mein Beschützerinstinkt durch. Wie sie so in meiner Armbeuge lag und erzählte und erzählte, da kam sie mir so scheu und verletzlich vor, dass ich immer weiter
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