Im Netz der Meister 2
beurteilte sich selbst kritisch, wusste aber auch, dass sie im Netz zu den attraktiven Frauen gehörte, die Ansprüche stellen konnten. Sie unterhielt sich manchmal mit Anke, einer sehr dicken allein erziehenden Mutter, die seit vielen Jahren allein lebte. Anke suchte einen richtigen Mann, eine Schulter zum Anlehnen, einen Fels in der Brandung. »Mit diesem ganzen SM habe ich nicht so viel am Hut, ich bin nicht maso und nicht devot. Wenn einer richtig zupacken kann, das finde ich toll, aber das Mein-Herr-Getue und das Vermöbeln find ich doof. Aber ich bin jetzt so lange allein, dass ich weiß, man muss was bieten, wenn man einen abkriegen will.«
Simone war entsetzt. War Anke der Typ, auf den Männer wie Herr Scheißkerl warteten? Wie einsam musste eine Frau sein, wenn sie sich so verbiegen wollte, nur um nicht allein zu sein. Simone verdrängte den Gedanken daran, dass sie mit Gerald auch nicht ewig so nebeneinander her zusammenleben könnte, dass irgendwann eine Entscheidung anstehen und sie dann auch mit den Kindern irgendwo allein leben würde.
An diesem Mittwoch bat sie Tom aus Frechen, zum Stammtisch zu kommen. Sie hatte mit ihm schon ein paar Mails gewechselt. Tom war vierzig Jahre alt, groß, muskulös und hatte ein markantes Gesicht. Er arbeitete als Chef einer Hausmeistertruppe in einer Kölner Seniorenresidenz. In Toms Profil gab es einige Fotos, die ihn bei einer Session in einer leeren Fabrikhalle zeigten: Er trug einen bodenlangen Ledermantel und schwere Stiefel und hatte eine zierliche Frau übers Knie gelegt, der er mit der flachen Hand den Hintern versohlte. Der Blick, mit dem er dabei in die Kamera schaute, ließ Simone kribbelig werden. Tom gab zu, dass er auf das Dom-Sub-Getue nicht stehe, aber Spanking sei einfach geil und total sein Ding.
Er sah gut aus. Simone war angenehm überrascht, als er die Treppe herauf kam. Sie erkannte ihn sofort, und auch er ging direkt auf sie zu. Sie konnte ihm ansehen, dass er sich über ihren Anblick freute, er grinste breit und küsste sie zur Begrüßung auf beide Wangen. Er roch gut. Tom bestellte sich einen Apfelsaft. »Ich trinke nicht«, erklärte er. Er war Nichtraucher und Vegetarier, Single und allein lebend. Tolle Voraussetzungen, Simone freute sich auf das Kennenlernen. Sie setzten sich auf das schwarze Sofa an der Seite, von dem aus man das turbulente Kommen und Gehen gut beobachten konnte. Tom grüßte zahlreiche Stammtisch-Besucher per Handschlag, er schien hier bekannt zu sein. »Ich war früher oft hier«, sagte Tom. »Jeden Mittwoch, ein paar Jahre lang. Letztes Jahr wurde meine Mutter krank, ich hab sie mit meinem Bruder zusammen gepflegt und mich hier zurückgezogen.« Simone verbuchte noch einen Pluspunkt für ihn und rückte näher an ihn heran.
Eine schlanke Rothaarige betrat den Raum, und Tom wirkte auf einmal leicht angespannt. Er grüßte sie mit einem Winken, sie nickte nur knapp zu ihm hinüber, bevor sie von einem älteren Herrn an einen Tisch begleitet wurde. »Das ist Veronika, meine Ex-Sub. Mensch, ich hab gar nicht damit gerechnet, dass ich ausgerechnet sie heute hier treffe«, sagte Tom und wischte sich mit der Hand über die Stirn, als würde er schwitzen.
»Wieso?« fragte Simone.
»Das ist eine lange Geschichte. Also, pass auf: Veronika ist eine tolle Frau, aber sie hat ein psychisches Problem. Man sieht ihr das nicht an, nur wenn man es weiß. Das ist richtig schwierig mit ihr, die kommt zum Beispiel nur zum Orgasmus, wenn man sie ordentlich anschreit und dabei die ganze Zeit ohrfeigt.« Tom machte ein wichtiges Gesicht, als Simone ihn erstaunt ansah. »Pass auf: Ja, das liegt an ihrer Ehe, sie war mit diesem Herbert verheiratet, den kennst du bestimmt auch aus dem Forum, der arbeitet im Verteidigungsministerium, ich komm jetzt nicht auf den Nick, ich sag ihn dir, wenn er mir einfällt.«
Simone wunderte sich, dass Tom offenbar reden konnte, ohne Luft zu holen, außerdem amüsierte sich darüber, dass »Pass auf« offenbar sein Lieblingsausdruck war. Sie lachte auf, als er fortfuhr: »Pass auf, Veronika hat ein Bistro in Nippes, hat ihr Exmann ihr bei der Scheidung gekauft, damit sie sich eine neue Existenz aufbauen kann, aber die hat’s nicht so mit dem Arbeiten, deswegen läuft das Ding auch nicht so. Sie hat ziemliche Geldsorgen und hat mich manchmal angepumpt. Ich meine, das geht doch nicht, oder?« Simone zuckte die Schultern und beobachtete Veronika, während Tom weiter plauderte. »Jetzt hat sie diesen Typen da
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