Im Netz der Meister 2
sie der Gipfel der Verdorbenheit und sie ging dabei, wie Gerald Simone versicherte, »ab wie ein Zäpfchen«. Ihm gefiel ihre Begeisterung und sie verabredeten sich in einem Hotel in Brühl. Dort zeigte Gerald der Achtundzwanzigjährigen - als Simone Nicoles Alter erfuhr, schrie sie entrüstet auf -, wie ein erfahrener Mann mit einer Frau umgehen kann. Und dann fragte Nicole ihn, ob sie einen Wunsch äußern dürfe. Sie durfte.
»Ich möchte, dass du mich in meinem Hochzeitskleid ... du weißt schon ...«
Ja, Gerald wusste schon und tat ihr den Gefallen. Am Donnerstag vor ihrer Hochzeit trug Nicole Brautkleid, Strumpfband und Schleier, als Gerald sie vögelte.
Als Gerald ihr das erzählte, hatte Simone grinsen müssen. Dass ihm das gefiel, war ihr klar. Dass es ihm gefiel, für so ein junges Huhn der Grandseigneur der Erotik zu sein, verstand sie auch. Dass sie so unflätig und ausfallend wurde, als sie über Nicole schimpfte, lag weniger daran, dass sie die Vorlieben ihres Mannes für vollbusige Frauen mit schmachtendem Blick nicht nachvollziehen konnte. Nein, Simone flippte aus, als er in einem Nebensatz sagte: »Sie kennt dich übrigens. Sie war schon mal bei dir im Laden.«
»Wann?«
»Weiß nicht, kurz nachdem wir das erste Mal im Hotel waren.«
»Das heißt, sie kennt mich? Es kann sein, dass ich durch die Stadt gehe und sie sieht mich, und lacht mich aus?«
»Warum sollte sie dich auslachen?«
»Weil ich die gehörnte Ehefrau bin, und weil du der klassische ältere Macker bist, der sich eine sucht, die zwanzig Jahre jünger ist als die eigene Ehefrau.«
»Mach dich nicht lächerlich, Simone. Du hattest deinen Spaß, ich habe jetzt meinen. Nicole und ihr Mann bauen ein Haus, sie haben ein Grundstück in Holzlar gekauft. Sie wollen Kinder. Ich habe eine Affäre mit ihr und gut. Was ist dein wahres Problem?«
Er hatte Recht. Simone spürte, dass es ihr gar nicht um Gerald ging. Es ging um ihre eigene Eitelkeit, darum, dass er eine viel jüngere Frau hatte, darum, dass er sie vielleicht mit ihr verglich, darum, dass sie selbst dabei vielleicht schlechter abschnitt, und darum, dass das alles keine Rolle mehr spielte. Nicole war nur ein Symptom.
So, wie manche Liebe sich über lange Zeit entwickelt und wächst, hatten Simone und Gerald ihre Liebe irgendwann verloren. Die Liebe und den Kampf, den sie um diese Liebe geführt hatten.
Warum? Wann und wo? Sie wusste es nicht.
Gerald behielt seinen Dienstag und seinen Donnerstag mit Nicole bei. Simone begann, fieberhafter im Internet zu suchen. Nach einem neuen Partner vielleicht, Ersatz für Gerald, nach Selbstbewusstsein, Bestätigung, Sex oder Erfüllung. Vielleicht suchte sie aber auch weiterhin nur nach sich selbst.
10
Simone konnte sich nicht länger etwas vormachen: Sie musste den Buchladen schließen. Sie kündigte den Mietvertrag zum nächsten Termin. Sie hatte Glück und fand einen Nachmieter: Ein türkischer Friseur stieg in die restliche Mietzeit ein.
Zusammen mit Gerald und den Mädchen schaffte Simone einige Regale und alle Bücher nach Hause. Im Computerzimmer stapelte und sortierte sie die Bestände, so gut es ging. Die Ladeneinrichtung verkaufte sie sofort bei eBay, der Erlös reichte, um die meisten Rechnungen bezahlen zu können. Die anderen Verbindlichkeiten würde sie erledigen, wenn die sie die Bücher losgeworden war. Die viertausend Bücher, die sie noch hatte, wollte sie auch bei eBay verkaufen. Simone kalkulierte einen Sofortkaufpreis von fünf Euro.
Es würde viel Arbeit sein; danach wollte sie sich einen Job suchen, vielleicht in der Bücherabteilung im Kaufhof arbeiten oder sich bei Bouvier bewerben.
In den kommenden Wochen war sie sehr beschäftigt, denn der Verkauf über eBay war zeitraubend und arbeitsaufwändig. Oft war sie so konzentriert, dass sie kaum im HLF online sein konnte, sondern Fragen potenzieller Käufer beantwortete, Auktionen verfolgte, Zahlungen zuordnete, die bezahlten Bücher verpackte und zur Post brachte.
Simone und Gerald lebten zwar in einem Haus, aber sie lebten aneinander vorbei. Sie schliefen nicht mehr in einem Zimmer, Gerald hatte sich im Keller einen Raum eingerichtet.
Sie redeten nicht über die Zukunft, es gab keine gemeinsame Zukunft, das wussten beide. Sie sprachen unverkrampft und freundlich miteinander, aber nur über Belangloses, Alltagskram.
»Warum triffst du deine Nicole eigentlich immer nur an diesen beiden Tagen?«, fragte Simone.
»Weil ihr Mann dann beim Tischtennis oder in
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