Im Netz der Meister 2
getroffen habe.« Er wuschelte ihr durch die Haare, sagte »Bis morgen« und wartete, bis sie die Haustür hinter sich zugemacht hatte.
Im Flur sah sie auf ihr Handy. Nichts. Keine Nachrichten.
Simone war noch zu aufgekratzt, um sofort ins Bett zu gehen. Sie duschte, kochte sich Tee und fuhr den Rechner hoch. Es war jetzt fast vier Uhr morgens. Sie konnte ausschlafen, sie musste erst abends wieder im »Chez Maurice« sein.
Im »Harte-Liebe-Forum« stritt sich Herr Scheißkerl mit jemandem, der eine seiner Geschichten kritisiert hatte. Simone schüttelte den Kopf. Hier änderte sich nie was. Sie überflog die neuen Texte im Literaturforum, aber es gab nichts, das ihr gefiel. Zwei neue Autoren, die ihre Werke im Eigenverlag veröffentlichten, bombardierten die User mit Leseproben. Simone interessierte sich nicht dafür und loggte sich wieder aus. Sie rief ihre Accounts in den anderen Foren auf, überflog ihre Nachrichten, loggte sich wieder aus. Wie spät ist es jetzt in New York? Sechs Stunden früher als hier? Also abends halb zehn. Wieso meldet Luka sich nicht? Ob was passiert ist? Oder ist er noch gar nicht angekommen? Wenn ich wüsste, wann er geflogen ist. Sie schrieb ihm eine SMS: »Schade, dass ich nichts von dir höre. Gute Nacht.« Er antwortete nicht. Sie rief ihn kurz entschlossen an. Er nahm nicht ab.
Simone ging unglücklich ins Bett, las noch, grübelte, zweifelte, wurde wütend, wartete noch fast eine Stunde, dann machte sie das Licht aus. Sie schlief sofort ein.
Um kurz nach acht Uhr morgens schrak sie aus dem Tiefschlaf, als das Handy schrillte. »Simone, Schatz, schläfst du noch? Vermisse ich dich so, schöne Simone, hier ist blöd ohne dich.«
»Luka? Wo bist du? Wie spät ist es?«
»Ist zwei, ungefähr, hatte ich langen Tag mit Konferenz und Meeting.«
»Bist du im Hotel?«
Im Hintergrund war absolute Stille. »Ja, bin ich im Bett, leider ohne dich, hast du dir schon selber gemacht, weil ich nicht da bin?« Er lachte dieses kehlige Lachen.
Simone konnte seine Sätze kaum verstehen. Sie hatte das Gefühl, erst vor ein paar Minuten eingeschlafen zu sein. »Warum antwortest du nicht auf meine SMS, Luka?«
Er habe keine bekommen, sagte er, aber er habe auch sein Handy gar nicht an, die ganze Zeit nicht. Jetzt war Simone wach.
»Ich habe dich angerufen, und es war ein Freizeichen. Also war es eingeschaltet!« Sie hörte ihn scharf einatmen.
»Simone. Rufe ich an, weil ich dich vermisse, sage ich dir liebe Sachen, und du spionierst wieder und bist du misstrauisch. Warum glaubst du nie? Ich habe nicht privates Handy hier, habe ich Firmenhandy. Hab ich dich ganze Zeit vermisst, bin ich einsam im Hotel, will ich reden mit Frau, die ich liebe und du?«
Er schimpfte noch weiter und Simone hörte schweigend zu. Sie hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Sie entschuldigte sich kleinlaut.
»Ach, Liebes ...« Luka gab dem Gespräch schnell eine andere Wendung, sprach zärtlich zu ihr, erzählte von einem Essen mit langweiligen Amerikanern, versprach ihr einen Urlaub über Ostern. Als sie aufgelegt hatten, war Simone ganz ruhig.
Wie ich mich verrückt mache ... das ist schon krank ... er ist ganz lieb ... vermisst mich ... ruft nach einem langen Arbeitstag an, macht Liebeserklärungen, will in Urlaub fahren mit mir ... in Urlaub ... ans Meer vielleicht? ... nach Kroatien? Sonne ... wie lange ist es her? Jahre ... zuletzt mit Gerald und den Kindern auf Norderney ... in dieser schrecklichen Zeit ... Jenny ... Julia ... Dann war sie wieder eingeschlafen.
Luka meldete sich am nächsten Tag nicht, obwohl er es versprochen hatte. Simone sah den ganzen Tag dauernd auf ihr Handy, checkte zwanghaft immer wieder ihre Maileingänge, schrieb etliche SMS an Luka und schickte keine einzige ab. Sie sah in der Anruferliste nach, von welcher Nummer aus er morgens angerufen hatte, sie war nicht gespeichert. Vielleicht hatte er das Telefon im Hotel benutzt.
Bevor Simone ins »Chez Maurice« ging, rief sie auf seinem Handy an. Sie hatte ihre Rufnummer unterdrückt. In New York war es elf Uhr morgens. Sie ließ es viermal klingeln. Ihr Herz schlug heftig. Er nahm ab und meldete sich räuspernd.
»Luka. Ich denke, du hast dein Handy nicht dabei?«
Er sagte etwas, das vermutlich kroatisch war. Es klang wie: »Hallo? Hallo? Wer ist da?« Dann sagte er auf Deutsch: »Kann ich Sie nicht verstehen, ist schlechte Verbindung. Hallo?«
»Der Trick ist uralt, Luka!«, sagte Simone noch, dann war die Verbindung
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