Im Netz Der Schwarzen Witwe
langsam aufwärtsgleiten ließ, über ihren Körper bis hinauf zu ihrem Gesicht. „Ich hoffe, wir haben Sie nicht gestört. Der Hund kann ganz schön laut sein – Princess ist noch jung.“
„Nein, ich bin extra früh aufgestanden, um den Sonnenaufgang zu fotografieren.“
Er sah zum Himmel. Die Sonne stieg am Horizont rasch höher. „Tut mir leid“, meinte er. „Wir waren im Weg.“
„Das macht nichts.“
Er streckte die Hand aus, um Mariah aufzuhelfen.
Wenn sie seine Hand nahm, konnte sie die Arme nicht länger vor ihren Brüsten verschränken. Andererseits konnte sie mit vor der Brust verschränkten Armen ohnehin nicht aufstehen.
Was soll’s, dachte sie und nahm seine Hand. Ein Mann mit einem solchen Gesicht hatte sicher schon eine ganze Menge weiblicher Körper gesehen, weitaus spärlicher bekleidet als mit einem alten T-Shirt. Mariahs Aufzug konnte keine große Sache für ihn sein. Nichts Besonderes.
Für sie hingegen war er durchaus etwas Besonderes. Er half ihr aus dem Sand auf, und plötzlich stand sie viel zu nah vor ihm. Als sie zurückweichen wollte, stützte er sie mit der anderen Hand. Seine Finger umschlossen warm ihren Ellbogen.
Er war groß, mit breiten Schultern und einer muskulösen Brust. Seine Hüften waren schmal, und als Mariahs Blick unwillkürlich tiefer glitt, sah sie verlegen schnell wieder auf und schaute direkt in sein Gesicht.
Seine Augen waren von einem klaren, leuchtenden Blau. Und in ihnen lag ein Funkeln. Du lieber Himmel, offenbar fand er sie auch attraktiv.
„Wohnen Sie da allein?“, erkundigte er sich, und Mariah begriff zuerst nicht, was er meinte. „In dem Haus“, fügte er hinzu.
„Ja“, antwortete sie und befreite sich sanft, um ein wenig auf Abstand zu gehen. „Ich wohne allein dort.“
Er nickte. Wer immer er auch war, er wirkte schrecklich ernst. Bis jetzt hatte er noch kein einziges Mal gelächelt.
„Was ist mit Ihnen?“, fragte sie. „Machen Sie hier mit Ihrer Familie Urlaub?“
„Nein, ich bin auch allein hier.“ Er deutete vage in eine Richtung. „Ich wohne im Hotel, jedenfalls vorübergehend. Ich habe daran gedacht, mir ein Haus an diesem Strandabschnitt zu mieten. Langsam habe ich die Nase voll vom Zimmerservice. Ich möchte meine eigene Küche haben.“
„Es hat seine Vor- und Nachteile“, erklärte Mariah. „Ein Haus hat mehr Privatsphäre, man ist ungestörter. Allerdings hat man kein Zimmermädchen mehr. Tja, und wenn man seine Küche nicht aufräumt – es ist erstaunlich, wie viele Insekten dann angezogen werden. Man kann nichts draußen stehen lassen, nicht einmal einen Teller mit Krümeln. Sämtliche Lebensmittel müssen im Kühlschrank aufbewahrt werden oder in Plastikbehältern. Wenn man damit kein Problem hat, ist es großartig, ein Haus zu haben.“
„Hm, vielleicht werde ich die Dienste des Zimmerservices doch noch eine Weile in Anspruch nehmen.“
Princess, der Hund, näherte sich Mariah vorsichtig und stupste seine kalte Schnauze gegen ihre Kniekehle. Sie stieß vor Schreck einen kleinen Schrei aus.
„Princess, pfui!“, mahnte der Mann in scharfem Ton. „Ach, sie wollte doch nur spielen“, meinte Mariah, während der Hund sofort gehorchte. „Ich habe mich nur ein wenig erschrocken. Ist schon in Ordnung. Sie ist übrigens ein ungewöhnlicher Mischling.“
Der Mann wirkte belustigt. „Und Sie sind ungewöhnlich taktvoll. Aber keine Sorge, sie ist kein besonderer Mischling, sondern einfach nur ein Köter, und das weiß sie. Wir sind beide nicht sehr eingebildet.“
„Sie tut, was Sie sagen“, stellte Mariah fest. Princess schaute mit heraushängender Zunge zu ihr auf und wedelte mit dem Schwanz, obwohl sie saß. Der Hund schien jedes Wort der Unterhaltung zu verstehen. „Das ist mehr wert als jeder Stammbaum.“
„Sie wurde gut erzogen“, erklärte er. „Ich habe sie vor einigen Jahren von einem Freund … geerbt.“
Er sah aufs Meer hinaus, als versuche er, die plötzliche Traurigkeit in seinen Augen zu verbergen. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, denn als er sie wieder ansah, war sein Blick ausdruckslos.
Er bot ihr die Hand. „Ich bin Jonathan Mills.“
Seine Finger waren warm und lang. Schmal und zierlich lag ihre Hand in seiner. „Ich bin …“ Sie zögerte, weil sie unsicher war, welchen Namen sie ihm nennen sollte. „Mariah Robinson“, sagte sie dann. Schließlich war das keine Lüge, denn inzwischen identifizierte sie sich mit diesem Namen. Im Lauf der vergangenen zwei
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