Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
fiel auf die Hand des Mädchens. »Hat er dir den Finger abgeschnitten?«
»Ja. Meine Tätowierung hat ihm nicht gefallen.« Hayley deutete mit einer Geste auf die Stelle an der Wand, wo der Putz abgebröckelt war. »Ist diese Halterung locker?«
Brittany rüttelte noch einmal mit ihrem Arm an der Kette. Wieder bröckelte Putz ab.
»Meinst du, du kannst dich von der Wand losreißen?«
»Weiß ich nicht«, sagte Brittany. »Vielleicht. Ich hab aber Angst, dass ich zu laut bin, wenn ich zu fest daran zerre.« Sie hatte keine Lust, den Mann zu sehen, der diese schlimmen Dinge angestellt hatte.
Wie konnte ich nur so dumm sein, in sein Auto zu steigen?
»Mach einfach weiter, solange du kannst«, sagte das Mädchen. »Was ist mit deinem anderen Arm?«
Brittany versuchte, ihn zu bewegen. Es war zwecklos. Nichts geschah.
»Vielleicht reicht es, wenn du einen Arm freibekommst. Du kannst ihn dann mit der Kette erwürgen.«
»Ich glaub nicht, dass ich stark genug dafür bin.«
»Du hast gar keine Ahnung, was du kannst, wenn du nur willst. Der Dreckskerl ist völlig durchgeknallt und bringt uns um, wenn du es nicht tust. Denk daran. Außerdem ist er verletzt. Du kannst es, da bin ich mir sicher.«
Dienstag, 23. Februar 2010, 1:31 Uhr
Jared ging beim ersten Klingeln ans Telefon.
Am anderen Ende meldete sich eine Frau. Sie stellte sich als Karen vor, die Frau, die dem FBI bereits am Telefon den Hinweis gegeben hatte, dass ihr Bruder unter Umständen der Mörder war.
»Spreche ich mit Jared Shayne?«
»Am Apparat.«
»Ich würde mich gerne an folgender Adresse mit Ihnen treffen: 5416 Wise Road in Auburn. Fahren Sie auf der Interstate 80 bis zur Ausfahrt Ophir und biegen Sie links auf die Wise Road ab.«
Jared unterdrückte mühsam seine Ungeduld. »Zwei Mädchen werden vermisst. Wir brauchen einen Namen, Karen.«
»Kommen Sie bitte schnell.«
Sie legte auf und Jared blieb nichts anderes übrig, als der Sache nachzugehen. Er hatte heute Nacht nicht schlafen können und war ziellos durch die Gegend gefahren. Sein Auto war einer der Orte, wo er oft nachdachte. Er hielt am Straßenrand und kramte im Handschuhfach nach seinem tragbaren Navi. Fotos rutschten aus einem Umschlag und landeten auf dem Beifahrersitz. Es waren Bilder, die ihm seine Schwester vor ein paar Monaten gegeben hatte. Er warf einen Blick auf einige davon. Sie waren bei einem Familientreffen vor einigen Jahren aufgenommen worden. Dann holte er das Navi hervor, gab die Adresse ein, die Karen ihm genannt hatte, und machte sich auf den Weg nach Auburn. Die Nacht war kalt und auf den Straßen war kaum jemand unterwegs. Er nahm das oberste Foto und sah es sich näher an, bevor er seinen Blick wieder auf die Fahrbahn richtete. Es zeigte Jared mit seiner Schwester und dahinter ihre Eltern. Jeder blickte glücklich und zufrieden drein, nur seine Mutter nicht.
Das Handy klingelte wieder. Dieses Mal war es Jessica, Lizzys Mitarbeiterin. Obwohl es zwei Uhr morgens war, wollte auf einmal jeder mit ihm reden. »Was gibt’s?«
»Wissen Sie, wo Lizzy ist? Ich versuche schon die ganze Zeit, sie zu erreichen.«
»Sie ist bei ihrer Schwester. Es ist aber noch ein wenig zu früh, um dort anzurufen, oder schon zu spät … wie man’s nimmt. Wo sind Sie?«
»Ich bin noch im Krankenhaus. Die Ärzte wollen mich noch nicht entlassen. Ich wollte mit Lizzy reden, aber sie geht nicht ans Telefon. Das ist komisch, finden Sie nicht?«
»Jessica.«
»Ja?«
»Gehen Sie schlafen. Ich treffe mich in ein paar Stunden mit Lizzy. Ich werde ihr sagen, sie soll Sie anrufen.«
Jessica antwortete nicht, aber er konnte immer noch ihren Atem hören. »Jessica, bitte bleiben Sie, wo Sie sind. Ich kann nicht noch mehr Vermisste gebrauchen, ist das klar?«
»Okay«, sagte sie schließlich. »Aber rufen Sie mich bitte sofort an, wenn Sie etwas hören.«
Fünfzehn Minuten später bog Jared in die Einfahrt des Hauses, dessen Adresse Karen ihm genannt hatte. Es war eine bessere Wohngegend. Die Häuser waren farblich aufeinander abgestimmt und hatten mit Steinplatten ausgelegte Gehwege und künstlich angelegte Teiche. Er trat hinaus in die kalte Nachtluft. Im Mondschein konnte man ungelesene Zeitungen sehen, die um die Mülltonnen herumlagen. Der Rasen war grün und gepflegt. Die Haustür stand offen und im Türrahmen sah Jared eine Frau, die sich ein Tuch vor die Nase hielt.
»Ich bin Karen«, sagte sie, ließ das Tuch sinken und gab ihm die Hand. »Danke, dass Sie gekommen
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