Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
sind.«
Er schüttelte ihr die Hand und folgte ihr ins Haus. Jetzt verstand er, warum sie sich das Tuch vors Gesicht gehalten hatte. Der Gestank verschlug einem den Atem.
»Ist das Ihr Haus?«
Sie schüttelte den Kopf. »Soviel ich weiß, hat mein Bruder hier gewohnt.«
»Sie sind sich also nicht sicher?«
»Das letzte Mal hab ich ihn gesehen, als ich von daheim auszog und aufs College ging. Das ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her.«
»Eine lange Zeit.«
»Ja.«
»Wo ist Ihr Bruder jetzt?«
»Das weiß ich nicht. Ich lebe mit meinem Mann und den Kindern in Italien. Ich bin in die Staaten gekommen, um ihn zu finden.«
»Warum?«
Sie senkte den Blick. »Ich wollte mich bei ihm für etwas entschuldigen, das vor sehr langer Zeit passiert ist … als Sam zehn Jahre alt war.«
»Heißt Ihr Bruder so? Sam?«
Sie nickte. »Samuel Jones. Seine Frau heißt Cynthia.«
In der Ferne hörte Jared Polizeisirenen.
»Nachdem ich Sie angerufen hatte, habe ich die Polizei verständigt.«
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mich ein wenig umsehe?«
»Kommen Sie«, sagte sie und machte eine leichte Bewegung aus dem Handgelenk heraus. »Ich war vor ein paar Tagen schon mal hier. Ich hab mich umgesehen, aber nichts gefunden. Zuerst hab ich gedacht, der Gestank stamme von einer toten Ratte – bis ich dann die Zeichnung von dem Mörder auf der Titelseite der Lokalzeitung gesehen habe.«
»Und was dann?«
»Ich habe den Mann auf dem Bild erkannt. In dem Moment wusste ich, dass mein Bruder der Mörder ist und dass der Gestank in dem Haus nichts mit einer toten Ratte zu tun hatte.«
»Woher kommt der Geruch dann, Karen?«
»Von Cynthia. Ich vermute, er hat seine Frau umgebracht. Aber ich weiß nicht, wo er die Leiche vergraben hat.«
Sie folgte ihm von einem Zimmer ins andere, während er unter den Betten und in den Schränken nachsah. Am Ende des Flurs roch es am schlimmsten. Jared blickte zur Decke empor und erkannte die Umrisse einer Falltür, die zum Dachboden führte. Jetzt wusste er, wo Cynthias Leiche versteckt worden war.
Dienstag, 23. Februar 2010, 2:14 Uhr
»Lizzy! Mach sofort auf!«
Das war’s. Jetzt oder nie.
Lizzys Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Die Zeit war abgelaufen. Wenn sie entkommen wollte, hieß es jetzt oder nie.
Von dem Rand der Badewanne aus machte sie einen Satz nach oben und hielt sich am Fenstersims fest. Der Sprung war nicht einfach gewesen. Sie war klein, dünn und schwach, aber sie hatte es geschafft. Die Muskeln in ihren Armen brannten vor Anstrengung und ihre Beine pochten, als sie sich bei dem Versuch, ihren Körper durch das winzige Fenster zu zwängen, mit den Füßen gegen die Kacheln stemmte und immer wieder abrutschte.
Jemand rüttelte an der Tür. Nein. Noch hatte sie es nicht geschafft. Er würde jeden Augenblick hereinkommen.
Das Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie würde es niemals schaffen. Er schlug immer lauter und fester gegen die Tür. Sie hatte es fast geschafft, war schon zur Hälfte durch das Fenster gekrochen. Aber was klingelte da auf einmal?
Lizzy wurde ruckartig wach. Es dauerte einen Moment, bis sie ihr Handy unter der Bettdecke fand. Sie klappte es auf. Sie war in Brittanys Bett eingeschlafen. Als sie das Handy ans Ohr hielt, war ihr Gehirn von dem Traum noch ganz benebelt.
»Wir haben sein Haus gefunden, Lizzy. Das Haus von Samuel Jones.«
»Gott sei Dank.«
»Er war offenbar verheiratet. Er hat seine Frau mit einem Stich ins Herz getötet und ihre Leiche auf dem Dachboden verwesen lassen. Ich bin gerade dort.«
»Was ist mit Hayley und Brittany? Sind sie bei dir?«
»Tut mir leid, Lizzy, ich bin allein. Bis jetzt wissen wir noch nicht, wo Samuel Jones arbeitet oder sich sonst aufhält. Ich arbeite noch daran«, sagte Jared. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich wieder, wenn ich hier fertig bin.«
Lizzy beendete das Gespräch. Sie musste etwas unternehmen. Sie war in ihren Kleidern eingeschlafen. Als sie gerade ihre Jacke von dem Stuhl vor Brittanys Schreibtisch nahm, summte ihr Handy. Das bedeutete, dass eine SMS eingegangen war. »Ich erwarte dich in zehn Minuten Granite Ecke Third Street. Kein Auto. Niemand darf wissen, dass du das Haus verlassen hast. Komm allein oder deine Nichte stirbt.«
Der Spinnenmann hatte ihr eine SMS geschickt.
Wie weit lag die Third Street vom Haus ihrer Schwester entfernt? Lizzy trat ans Fenster. Draußen parkten zwei Zivilfahrzeuge des FBI. Sie nahm einen Zettel und einen Stift und schrieb schnell
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