Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
Fantasie angeregt und sie wie durch ein Wunder für ein paar schöne Augenblicke von allen anderen Dingen abgelenkt.
»Haben Sie während Ihrer zweimonatigen Gefangenschaft jemals das Haus des Spinnenmanns verlassen?«, fragte Jimmy aus dem anderen Zimmer.
»Nein«, sagte Lizzy und schüttelte den Kopf. Sie fragte sich, warum die FBI-Leute immer wieder dieselben Fragen stellten. Sie überließ Jared in der Küche sich selbst und ging zurück ins Wohnzimmer. Jimmy hatte inzwischen seinen Sitzplatz vom Stuhl auf die Couch verlegt, wo er sich über den gläsernen Kaffeetisch beugte, auf dem Notizen, Bilder von Sophie und ein Stadtplan von Sacramento verstreut lagen.
Als sie einen Blick auf die Karte warf, schoss ihr ein Bild des Hauses, aus dem sie geflohen war, durch den Kopf. Bei ihrem zweiten – und erfolgreichen – Fluchtversuch war Lizzy durch das Badezimmerfenster geschlüpft – das einzige Fenster im Haus, das nicht vergittert war. Am Anfang hatte der Spinnenmann ihr zur Verrichtung ihrer Notdurft nur einen Eimer zur Verfügung gestellt. Nach drei Wochen in seiner Gewalt erlaubte er ihr schließlich, alleine ins Bad zu gehen und dort die Toilette zu benutzen. Lizzy stellte fest, dass sie gewaltig abnehmen musste, wenn sie es schaffen wollte,sich durch das winzige Fenster über der Badewanne zu zwängen. Sie wusste auch, dass sie lange genug am Leben bleiben musste, um überhaupt einen Versuch wagen zu können.
Lizzy schaute noch einen Augenblick auf die Karte und deutete dann auf eine ganz bestimmte Straße. »Das ist die Stelle, an der Betsy Raeburn mich gefunden hat, die Frau, die an diesem Tag die Wäsche aus der Schnellreinigung gebracht hat.«
Jimmy markierte mit dem Bleistift einen Punkt auf der Karte, der etwa vier Straßenblocks von der Stelle entfernt lag, auf die Lizzy gedeutet hatte. »Das ist der Ort, an dem Raeburn Sie laut ihrer eigenen Aussage gefunden hat.«
Lizzy sah Jared genervt an. »Kann mich jemand an diesen Ort hier bringen«, sie stieß mit dem Finger auf die Karte, »wo Betsy mich angeblich gefunden hat?«
Jared reagierte mit offensichtlicher Verwunderung auf ihre Bitte. »Aus deiner Akte geht hervor, dass du schon einmal dort warst. Ich glaube, das ist nicht nötig.«
»Das ist schon über zehn Jahre her«, sagte sie. »Jetzt ist alles anders. Ich habe vor meinem geistigen Auge Bilder von dem Haus und der Straße gesehen. Ich muss dorthin, und zwar jetzt gleich.«
»Bist du dir sicher, dass du dazu in der Lage bist?«, fragte Jared.
»Herrgott noch mal«, sagte Jimmy. »Ich bringe sie selbst hin.«
Lizzy würgte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. Nein, sie war sich nicht sicher. Tatsache war, dass sie das Gefühl hatte, als ob sie über einem Abgrund schwebte und jeden Augenblick ins Bodenlose stürzen konnte. Das war nichts Neues für sie. Aber sie hatte sich bereits entschieden und würde jetzt keinen Rückzieher machen. Sie warf einen Blick auf Sophies Bild und nickte Jared zu. »Ich bin bereit, wenn du es bist.«
»Bevor Sie verschwinden«, sagte Jimmy, »habe ich noch ein paar Fragen an Sie.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Was möchten Sie wissen?«
»Zum einen – warum ausgerechnet jetzt?«
Jared kam zu ihnen ins Wohnzimmer und sah Jimmy an. »Was meinst du damit?«
Jimmy ließ Lizzy keine Sekunde aus den Augen. »Ich würde gerne wissen, warum sie plötzlich glaubt, sie könne den genauen Ort bestimmen, an dem sie gefunden wurde. Und das, obwohl sie in den letzten zehn Jahren nicht in der Lage war, sich auf eine Straße im Umkreis von einer Meile von der Stelle festzulegen, die uns Ms. Raeburn genannt hat.«
Lizzy ließ sich nicht einschüchtern und starrte Martin mit derselben Entschlossenheit ins Gesicht, die sie in seinen Zügen entdeckte.
»Ich glaube, sie litt bisher unter dem Überlebenden-Syndrom«, warf Jared dazwischen, bevor sie etwas erwidern konnte. »Ihre Schuldgefühle haben dazu geführt, dass sie schmerzhafte Erinnerungen unterdrückt hat. Erinnerungen, die durch beliebige Dinge ausgelöst werden können … zum Beispiel durch einen bestimmten Geruch, ein Lied, ein Geräusch … was auch immer. In diesem Fall, glaube ich, hat der Anruf oder möglicherweise die Notiz, die sie vom Spinnenmann erhalten hat, einige Erinnerungen wieder wachgerufen.«
»Ich weiß, dass Sie mir damals nicht geglaubt haben«, sagte Lizzy zu Martin, »und wahrscheinlich glauben Sie mir auch jetzt nicht. Aber mir ist es egal, was Sie denken.
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