Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
beobachtete sie. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Die Beule auf ihrer Stirn war heute kleiner, hatte sich aber dunkel verfärbt. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie es nicht mochte, wenn jemand sie ohne ihren schützenden Panzer sah. Sie wollte nicht, dass andere Leute sehen konnten, wie sehr sie darunter litt, dass ihre Hoffnungen und Träume auf einen Schlag zerstört wordenwaren. Die Vergangenheit hinter sich zu lassen und mit ihrem Leben weiterzumachen, war für Lizzy ungefähr so, als ob sie jeden Tag aufs Neue laufen lernen musste.
Jimmy traf um Punkt acht Uhr ein. Er sah abgekämpft aus. Sein Anzug war zerknittert. Er ließ die Schultern hängen und schaute verkniffen drein. Noch bevor Jared ihn hereinbitten und die Tür schließen konnte, tauchte Lizzys Assistentin mit einem Eimer gebratener Hähnchenteile von Kentucky Fried Chicken auf.
»Kommt rein«, rief Lizzy von ihrem Platz auf dem Boden aus.
Jimmy trat ein, dicht gefolgt von Jessica. Sie sagte Hallo und gab Jared den KFC-Eimer. »Bin gleich wieder da«, erklärte sie, bevor sie die Tür öffnete und noch einmal nach draußen verschwand.
Jimmy blickte verwirrt drein.
Jared zuckte mit den Schultern. Er signalisierte Jimmy damit, dass es am einfachsten wäre, wenn sie Lizzy die Sache überließen. Dann brachte er die Hähnchenteile in die Küche.
»Wenn ich gewusst hätte, dass ihr beide eine Party schmeißt«, sagte Jimmy, »hätte ich den Nachtisch mitgebracht.«
Jared und Lizzy gingen nicht darauf ein.
Jimmy streifte sein zerknittertes Jackett ab und setzte sich auf einen der beiden Stühle, die Lizzy für ihr spontanes Treffen gegenüber der Couch aufgestellt hatte.
Als Jessica wiederkam, hatte sie ihren Laptop und einen Stoß Akten dabei. »Falls jemand Hunger hat«, sagte sie, »bedient euch.«
Lizzy lächelte sie dankbar an.
»Okay«, begann Jimmy, nachdem sie alle Platz genommen hatten, »was gibt’s und wer sind Sie?«
Jessica streckte die Hand aus. »Jessica Pleiss. Ich bin Psychologiestudentin an der Sacramento State und Elizabeth Gardners rechte Hand.«
Lizzy verdrehte die Augen. »Sie ist meine Praktikantin. Sie will sich auf Kriminalwissenschaft spezialisieren und Profilerin werden.«
»Okay«, sagte Jimmy und sah dabei Jared an, »sag mir doch bitte noch mal, warum ich eigentlich hier bin?«
»Du wolltest Lizzy über den neuesten Stand zu den Arbeiten auf dem Grundstück der Walkers berichten.«
Jimmy kratzte sich am Kinn.
»Wir haben heute mit den Ausgrabungen begonnen, aber bis jetzt haben wir noch nichts gefunden. Es dauert noch ein oder zwei Tage, bis wir einen vollständigen Bericht bekommen.«
»Und die Möglichkeit, dass der Spinnenmann Arzt sein könnte?«, fragte Lizzy.
»Was soll damit sein?« Jimmy lockerte seine Krawatte. »Sie können sich nicht an seine Handschrift erinnern. Weder auf der Nachricht noch im Haus der Madisons hat man Fingerabdrücke gefunden. Und draußen vor dem Haus gab es keine Reifen- oder Fußspuren. Bis jetzt haben wir nichts, womit wir eine Verbindung zwischen dem Spinnenmann und Sophies Entführung herstellen können. Und da kommen Sie daher und wollen, dass wir sämtliche Ärzte, die irgendwie verdächtig aussehen, zur Fahndung ausschreiben?«
»Das wäre zumindest ein Anfang«, sagte Lizzy bitter.
»Man sollte zwar keine Verallgemeinerungen anstellen, wenn es um Serienmörder geht«, warf Jessica ein, »aber die meisten von ihnen sind überdurchschnittlich intelligent. Außerdem sind Serienmörder in der Regel weiße Männer, die als Kinder von ihren Eltern verlassen wurden oder aus extrem zerrütteten Familien stammen. Dass dieser Kerl Arzt sein könnte, liegt durchaus im Bereich des Möglichen.«
Jimmy sagte kein Wort.
»Es ist besser als gar nichts«, fügte Jessica hinzu, bevor ihr jemand ins Wort fallen konnte. »Wir könnten zumindest mit sämtlichen Ärzten anfangen, die Sophie in den letzten zwei Jahren oder so besucht hat, und dann sehen wir weiter.«
Das Mädchen ist gar nicht dumm, dachte Jared.
»Was ist das hier?«, fragte Jimmy mit ausgebreiteten Armen. »Deine eigene Sonderkommission?«
Jared lächelte. »Ja, ich glaube, das kann man so sagen. Lizzy hat sich die letzten zehn Jahre mit Entführungsfällen im ganzen Land beschäftigt. Drei davon war sie im Aufsichtsrat einer Organisationzum Schutz vermisster und misshandelter Kinder. Und so wie es den Anschein hat, ist Jessica auf dem besten Weg, eine Profilerin zu werden. Ja, man kann also
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