Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
Ausgabe der Zeitschrift
People
herum, als Cathy Dr. McMullen aus seinem Sprechzimmer kommen sah. Er warf einen Blick zu ihr herüber und zwinkerte ihr kaum merklich zu, bevor die Sprechstundenhilfe ihm eine Akte reichte und zu einem Patienten führte, der auf einem der fünf Stühle an der Wand saß.
Als Richard gestern Abend nach Hause gekommen war, hatte Cathy gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sich überschwänglichdafür bedankt, dass er sich um ihren BMW gekümmert hatte. Dann hatte sie ihm eine Portion gegrillten Lachs mit Broccoli zum Abendessen serviert. Nach dem Essen schlief er sofort auf der Couch ein und fragte sie nicht einmal, wie ihr Tag gewesen war. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was zu Hause los war. Anscheinend nahm ihn seine Geliebte zu sehr in Anspruch. Heute Morgen war er sogar so früh aus dem Haus gegangen, dass sie keine Gelegenheit gehabt hatte, ihm von Lizzys Besuch oder dem FBI-Agenten zu erzählen, der auf der anderen Straßenseite parkte. Sie zuckte mit den Schultern.
Der Kerl kann mich mal
, dachte sie.
Cathy hatte diese Woche ein Kilo abgenommen. Es war schon komisch, wie ein bisschen Stress einem den Appetit verderben konnte. Heute Morgen hatte sie ihre beste schwarze Hose und ihren Lieblingspullover mit V-Ausschnitt hervorgeholt. In diesem Outfit sah sie aus, als hätte sie etwa fünf Kilo weniger auf den Rippen. Der Pullover gab den Blick auf ihr Dekolleté frei – ihr absoluter Trumpf. Außerdem hatte sie sich die Zeit genommen, ihre Haare in Locken zu legen. Sogar der FBI-Agent, der gegenüber im Auto saß, hatte sich im Sitz aufgerichtet, als sie vorhin aus dem Haus gegangen war.
»Hey Mom«, sagte Brittany, »hast du den Mathe-Nachhilfelehrer angerufen und einen Termin ausgemacht?«
»Hab ich dir das nicht schon gesagt? Du hast heute Abend einen Termin bei Mr. Gilman. Er kann nur um diese Zeit. Er klingt schon etwas älter. Bist du sicher, dass er der Richtige ist?«
Brittany nickte. »Er war mal Mathelehrer an der Carmen Junior High. Jenny sagt, er soll ganz nett sein. Und sie hat jetzt nur noch gute Noten.«
»Das klingt ja nicht schlecht, aber ich möchte ihn gerne kennen lernen. Ich gehe mit dir bis zur Haustür, wenn ich dich hinbringe. Oder vielleicht hat er auch ein Zimmer, wo die Eltern warten können.«
»Mom, das find ich jetzt aber nicht so toll. Kannst du nicht einfach heimfahren und eine Stunde später wiederkommen?«
»Es ist zwanzig Minuten von uns entfernt. Ich bleibe einfach im Auto sitzen und lese ein Buch.« Cathy entging es nicht, dassihre Tochter leicht die Augen verdrehte. Sie wollte sie zwar nicht beunruhigen, konnte jedoch nicht das Risiko eingehen, sie allein zu lassen.
»Was ist mit Lizzy?«, fragte Brittany. »Kann ich sie nach der Schule sehen?«
»Das geht leider nicht. Sie hat diese Woche viel zu tun.« Cathy hatte im Augenblick keine Lust, mit ihrer Tochter über Lizzy zu reden. Sie musste erst in Ruhe über alles nachdenken. »Aber vielleicht klappt’s nächsten Freitag. Mal sehen.«
»Brittany Warner«, sagte eine der Sprechstundenhilfen. »Dr. McMullen wird sich jetzt um dich kümmern.«
Cathys Nerven drohten mit ihr durchzugehen. Sie strich sich die Hose glatt und nahm eine aufrechte Haltung an. Dann ging sie mit ihrer Tochter in das Behandlungszimmer, wo Dr. McMullen sich soeben von einem Patienten verabschiedete. Die Sprechstundenhilfe deutete auf einen Behandlungsstuhl am Ende der Reihe. Es entging Cathy nicht, dass der Zahnarzt ihr nachblickte, als sie Brittany zu dem Stuhl begleitete. Sie lächelte ihn an und sah dann schüchtern weg.
Einen Augenblick später begrüßte Dr. McMullen Cathy freundlich mit Handschlag. »Na, was haben wir denn hier? Ich dachte, ich würde Sie erst wieder in zwei Monaten sehen.«
Cathy lief rot an. »I-ich hätte auch nicht gedacht, dass wir so schnell wieder zu Ihnen kommen würden. Ich fürchte, bei Brittanys Spange ist ein Draht kaputt.«
Aus Dr. McMullens Kehle drang ein gedämpftes Lachen. Cathy fragte sich, ob er lachte, weil ihr Verhalten so offensichtlich war.
Die Frisur, die hübsche Kleidung … hatte sie sich damit lächerlich gemacht?
Dr. McMullen setzte sich neben den Behandlungsstuhl, auf dem Brittany saß. Mit einem Spiegel schaute er ihr in den Mund und überprüfte sämtliche Drähte. »Ja, da ist tatsächlich einer kaputt.«
Cathy wurde schon wieder rot. Lächerlich. Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen. »Hätten wir bis zum nächsten Termin warten
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