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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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seufzte der Vorstellung hinterher. Um dem Vergangenen nicht weiter nachzutrauen, schlug sie mit einem munteren ›E-ech!‹ die Arme auseinander und spürte, wie ihre Hand jemanden im Gesicht traf, was mit einem undeutlichen Stöhnen und Murmeln beantwortet wurde. Blitzschnell rollte sie sich auf die Seite und sah Nick, der sich rekelte, langsam die Lider öffnete und sie verwirrt anschaute, als wäre sie Wassilissa, die vor seinen Augen die Froschhaut abgeworfen hatte. Obwohl sie morgens ganz sicher eher nach Frosch als nach Prinzessin aussah.
    Sie stützte ihren Kopf mit einer Hand ab und lächelte ihm zu. Es war schön, aufzuwachen, und sein zerknautschtes Gesicht mit Bartstoppeln zu sehen. So viel Gemütlichkeit hatte ihr Leben bis jetzt nicht zu bieten gehabt, und jede Momentaufnahme davon kam ihr so unglaublich kostbar vor. »Guten Morgen.«
    »Morgen.« Er sah sich um, als müsse er sich zuerst orientieren. Das Gefühl kannte sie zu gut.
    Einem Impuls folgend, strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht, um seine Augen besser zu sehen. Unter ihrer Handfläche spürte sie seine Wärme und die raue Haut seiner Narben. »Ich dachte, du gehst. Bist nicht mehr hier, wenn ich aufwache.«
    »Ich bin …« Seine Stimme klang rau. Sie liebte jeden Ton davon, auch wie er sich verlegen räusperte und neu ansetzte: »Ich bin wohl noch vor dir eingeschlafen.«
    Sie lachte. »Das ist nicht möglich. Ich habe geschlafen, bevor ich konnte denken zu Ende. Und by the way: Du schnarchst nicht.«
    »Was? Ach. Ja.« Er wandte sein Gesicht zur Seite, sodass sie jetzt nur seine schöne Hälfte betrachten konnte. »Um das Schnarchen mache ich mir eher weniger Sorgen.«
    »Was dann?«
    Er legte sich eine Hand auf die Augen. »Ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass ich eher unruhig schlafe. Du musst froh sein, dass du ohne ein Veilchen aufgewacht bist. Man sagt, ich schlage im Schlaf um mich, da hilft auch kein Doppelbett.«
    Sie rollte zurück auf den Rücken und bettete den Kopf auf das Kissen. Das Indefinitpronomen ›man‹ war gerade dabei, ihr ernsthafte Sorgen zu bereiten. Was soll’s. Er war kein Mönch. Das hatte sie nicht anders angenommen. Nur ihre Unfähigkeit, ihm die Frage nach seiner Freundin oder gar Frau zu stellen, brachte ihre Schwierigkeiten mit dem unbestimmten ›man‹ auf ein ganz neues Niveau.
    Sie hörte, wie er sich im Bett bewegte und das Holz unter ihm knarzte, so leise, als wäre es ein verstohlenes Aufstöhnen. »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Gut.«
    »Wirklich gut?«
    Sie drehte sich zu ihm und realisierte erst jetzt, wie nah er war, nicht nur sein Körper, sondern auch sein Blick. Er hatte in voller Kleidung geschlafen, das Hemd steckte noch in der Jeans und nur die Falten im Stoff zeugten von der vergangenen Nacht.
    »Ja. Wirklich gut. Wirklich.« Der Morgen brachte eine ganz eigene Zufriedenheit mit sich. Ihre gestrige Entführung und Flucht, die Suche nach ihrem Vater und die Schießerei lagen irgendwo tief in ihr verborgen, und der Schreck war nur ein blasser Nachtmahr, der sich im vollen Tageslicht nicht aus seiner dunkelsten Ecke wagte. Seltsam, dass all das erst gestern passiert war.
    »Und du?«, fragte sie. »Bist du auch gut?«
    »Ja.«
    »Mmmhhhh.« Der Blick seiner dunklen Augen schien sie vollkommen unzurechnungsfähig zu machen, nicht einmal der richtige Kagor hatte sie je soweit gebracht, sich derart schlecht zu artikulieren. »Bist du – eh – froh, hier bleiben?«
    Ihre Satzschöpfung hörte sich absolut bescheuert an, aber er lächelte, als hätte sie gerade Goethe zitiert. »Sehr.«
    Sie liebte ihn für dieses Lächeln, das sie über all ihre Unbeholfenheit hinweg trug. In Russland war sie stolz auf ihre Sprachfertigkeiten gewesen. Deutsch, Englisch und Französisch – un peu . In den Sommermonaten musste sie sich oft durch die Menschenmassen des Stadtzentrums zwängen und ab und zu half sie ratlosen Touristen aus. Es fühlte sich gut an, wie leicht ihr die fremden Wörter über die Zunge gingen . Hier war es, als wäre sie schwerhörig und sprachbehindert.
    Von unten vernahm sie Geräusche, vielleicht Stimmen und ein bisschen Musik. War Pyschka wach?
    »Wie spät ist es?« Sie schaute sich um, aber eine Uhr war für dieses Zimmer anscheinend noch nicht gehäkelt worden.
    Aus der vorderen Hosentasche zog er sein Handy hervor und warf einen Blick darauf. »Oh.«
    »Oh? Wie spät ist ›Oh‹?«
    »Viertel vor drei.« Er drehte das Display zu ihr, und die Uhrzeit war

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