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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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ganzes Leben schien eine einzige Lüge zu sein. Keine wirklichen Eltern, keine Freunde, und der Mann, den sie liebte, lag bewusstlos im Koma.
    Nach ein paar Tagen konnte sie entlassen werden. Marc holte sie ab und klärte die Formalitäten. Die Krankenschwester lächelte ihn an, obwohl er weder Cognac für den Chefarzt, noch Pralinen für sie mitgebracht hatte. Überhaupt schienen die Deutschen sehr großzügig zu grinsen, heute fiel es Juna besonders auf.
    Sie traute sich kaum, nach Danny zu fragen. Erst im Auto brachte sie es über sich. Sie wollte zu ihm, ihn wenigstens noch einmal sehen, doch Marc erwiderte nur, sein Zustand sei unverändert und im Moment durften nur Familienangehörige zu ihm.
    Er brachte sie ins Haus seiner Eltern, die sich gerade in Nizza vor dem Hotel de Ville, Palais de Justice und der Cathédrale Sainte-Réparate ablichten ließen, um dann ihre Europareise in Italien fortzusetzen. Die vertraute Umgebung schenkte ihr Zuversicht. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, rief sie daheim in Sankt Petersburg an. Doch ihre Oma nahm nicht ab. Sie versuchte es erneut – ohne Erfolg. Also beschloss sie, es bei der Nachbarin Warja zu probieren. Die Warja, die ihre Ohren so gern an den Wänden wärmte.
    Die Nachbarin nahm sofort ab. Es hatte Momente gegeben, da glaubte Juna, Warja wäre zusammen mit dem Telefon erfunden worden – so anhängig waren sie voreinander. Bei der Frage nach der Oma gab sie gerne Auskunft: »Die ist doch umgezogen!«
    »Umgezogen?« Juna ließ sich auf das Bett sinken. »Wohin? Wie?« Jetzt fehlten ihr auch im Russischen die Worte.
    »Das weiß ich nicht. Aber da stand ein Umzugswagen, und weg war sie. Die Wohnung ist leer, sie hat alles mitgenommen, das sage ich dir!«
    »Leer? Wie leer? Was ist passiert?«
    »Was fragst du mich das!«
    »Und sie hat nichts gesagt? Wohin sie fährt oder warum? Wie man sie erreichen kann?«
    »Ne. Aber ich soll dir etwas ausrichten: Wenn man nach dem Schlüssel zu allen Fragen sucht, ist das Offensichtliche nicht immer das, womit man sich zufriedengeben sollte.« Der Satz klang einstudiert wie ein Gedicht für den Schulunterricht und wurde von Warja mit einer ähnlichen Begeisterung vorgetragen.
    »Juna?«, drang es aus dem Hörer. »Juna? Alöö-oh?«
    »Bin da.« Sie schluckte. »Ich bin noch da. Mehr hat sie nicht gesagt?«
    »Dass jedes Küken irgendwann flügge wird. Oh! Und dass du daran denken solltest, wie sehr du früher Märchen geliebt hast.« Im selben Atemzug begann Warja vom Wetter zu sprechen und ob Juna wüsste, ob Buchweizen weiterhin so teuer sein würde.
    Sie legte auf. Noch lange saß sie mit dem Telefonhörer auf dem Schoß und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ihre Oma war weg. Untergetaucht?
    »Wo soll ich denn jetzt hin?« Ihr Daumen strich über die Tasten. Für vier Monate konnte sie noch in Deutschland bleiben, hatte Marc ihr erklärt. Wegen der Kooperation mit der Polizei, den Zeugenaussagen. Und dann?
    Die Tür öffnete sich. Durch den Spalt schlüpfte Dannys Katze herein und legte vorsichtig einen toten Frosch zu ihren Füßen. Dabei sah das Tier sie an, als wolle es ihr sagen, dass sich die Welt weiterdrehte und man jetzt endlich wieder ans Essen denken könne.

33
    Omas Worte gingen ihr auch nach Tagen noch nicht aus dem Kopf. Der Schlüssel, das Offensichtliche, die Märchen – sie grübelte, innerlich zu zerrissen zwischen der Vorstellung einer leergeräumten Chruschtschowka -Wohnung und Danny, der noch im Koma lag. Das Einzige, was Marc ihr über seinen Zustand erzählen konnte, war, dass er stabil sei, und so hoffte sie weiter.
    Das verunstaltete Album lag noch unter der Matratze, wo sie es vor Tagen verstaut hatte. Sie holte das Buch hervor. Der Feuervogel fehlte, den sie so gemocht hatte, fehlte. Sie blätterte herum. Das Offensichtliche, der Schlüssel … es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Es war doch so verdammt einfach! Die Aufzeichnungen, nach denen Dshanan verlangt hatte, mussten hier drin sein. Vielleicht ebenfalls im Einband verborgen. Oder in die dicken Pappseiten eingearbeitet. Wer dieses Buch in die Hand nahm und nach Geheimnissen darin suchte, würde den Postfachschlüssel zuerst entdecken. Und vermutlich gar nicht weiter nachforschen, ob das Innere noch etwas anderes hergab. Das war … genial.
    Und ungeheuerlich, dieses Album in den Händen zu halten und zu wissen, was für ein schreckliches Geheimnis es in sich barg.
    Auf der Treppe ertönten Schritte. Es klopfte, und

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