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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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genug, um sie fast spielerisch auf die Arme zu nehmen, und so behutsam dabei, dass sie sich dort geborgen gefühlt hatte, mit einer Wange an seiner Brust.
    Wenn sie danach bloß nicht in diesem Lager aufgewacht wäre … Nein, so wie es aussah, durfte sie nicht einmal ihren Gefühlen vertrauen.
    Er kehrte mit einem Glas Wasser zurück, in dem zwei Eiswürfel schwammen. In der anderen Hand hielt er ein dickes gelbes Büchlein, zwischen dessen Seiten unzählige Klebezettel steckten. Das Glas reichte er ihr. Die Eiswürfel klackten zaghaft gegen den Rand. Juna rührte sich nicht. Er wartete ein Weilchen, dann stellte er das Wasser auf das Beistellschränkchen, direkt neben einer blauen Packung Taschentücher, setzte sich und schlug das Buch auf.
    »Gut. Noch mal von vorne. Mein Name ist Nick. Also.« Sein Mund bildete eine harte Linie. Die Worte kosteten ihn sichtlich Überwindung: »Menja so-wut Nick.«
    Er schaute auf und hob eine Augenbraue. Wartete er etwa auf Applaus? Eine Glanzleistung war seine Aussprache nicht.
    Offenbar verunsichert vergrub er den Blick erneut im Buch und blätterte herum, bis er schließlich einen Zeigefinger hob.
    Na dann mal los, Polyglott. In seiner Gegenwart fiel es ihr leicht, den Schrecken der letzten Tage für einen Moment zu vergessen. Nach einem dieser Mistkerle, die ein hilfloses Mädchen wie Zdenka vergewaltigen, sah er doch gar nicht aus. Aber der Schein konnte trügen.
    Er holte tief Luft. »Kak dela?«
    Sie musste grinsen. ›Wie laufen die Geschäfte?‹, hieß es, wörtlich übersetzt. Anscheinend wollte er sich erkundigen, wie es ihr ging.
    »Choroscho«, antwortete sie, deutlich und jede Silbe auf O betonend, als käme sie aus der Wologda-Gegend. Ihre Stimme klang krächzend. Das Glas stand neben ihr und lockte. Auf der beschlagenen Oberfläche betrachtete sie seinen Handabdruck. Winzige Tropfen sammelten sich darauf und rannen hinunter. Zögernd nahm sie das Glas und trank einen vorsichtigen Schluck. Hoffentlich hatte er ihr nichts beigemischt. Sie hatte es so satt, ohnmächtig zu werden.
    Das Wasser tat gut, doch sie traute sich nicht, mehr davon zu trinken. Über den Rand hinweg betrachtete sie seine dunkelbraunen Augen, diesen warmen Blick – ein Refugium vor den Schrecken der Welt.
    »Ah, ka-ra-schó «, eiferte er ihr nach und verzog den Mund. »Super. Das weiß ich sogar ohne das Wörterbuch. Wo ist bloß mein Keks.« Er seufzte. »Das wird ja eine lustige Unterhaltung. Mh. Tsch … Sch … Ach, du meine Güte … Tschto? Ty. Pom-nisch ?«
    Erwartungsvoll sah er sie an. Ah ja. Jetzt wollte er wissen, woran sie sich erinnern konnte. Nun. Zur lustigen Unterhaltung konnte sie jede Menge beisteuern.
    »Jesli ty destvitelno dumajesch, schto ja sabyla, kak ty menja pered kitajskim restoranom po prikasu Olega w maschinu sapichnul, ili kak ty smotrel, smogu li ja tvojemu koreschu tschisto po-karatistki uschi nadratj …«
    »Aaaaaaah … Stopp! Ich bin noch bei duma … duma-jesch …« Er pustete sich die blonden Strähnen aus der Stirn und blätterte in seinem Buch. Einige Notizen segelten zu Boden. »Duma – Gedanke; Stadt-, Rathaus; Stadtrat, Stadtverordnetenversammlung … Mann, jetzt sind wir schon beim Reichstag ? Das ist doch Schwachsinn!« Geräuschvoll schlug er das Buch zu, presste es in seinen beiden Handflächen zusammen und drückte seine Stirn gegen den Buchrücken. »Ich denke, wir brauchen eine Pause. Entschuldige mich. Iswini? «
    Schon wieder diese auf eine seltsame Art vertraute Stille zwischen ihnen beiden. Dann wandte er den Blick ab und ließ sie im Zimmer allein. Also verstand er tatsächlich kein Russisch.
    Sie lehnte sich zurück auf das Kissen. Jegliche Anspannung wich aus ihrem Körper, zurück blieb nur der Klang seiner Stimme in den russischen, fremdvertrauten Lauten.
    Iswini .
    Wie konnte sie nur? Ihre Hände gruben sich in die Bettdecke. Nein, sie durfte ihm nicht vertrauen. Auch mit dieser neuen Masche würden die Entführer bei ihr nicht weiterkommen. Wenn sie nur herausfinden könnte, was er im Schilde führte!
    Sie lauschte seiner Stimme aus dem Nebenzimmer. Redete er gerade mit jemandem? Telefonierte er? Die Worte tönten gedämpft durch die Tür, er sprach genauso leise wie kurz zuvor mit ihr, doch nun klang es deutlich distanzierter, geschäftsmäßig kühl. Bekam er gerade neue Anweisungen von ihren Peinigern?
    Juna richtete sich auf. Wissen ist Macht, hatte ihr Vater immer gesagt. Sie hielt sich am Bettgestell fest und kam auf die

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