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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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mit der Absicht, ebenen Boden unter den Füßen zu erreichen. Als er erneut den Arm hob, um sie vorwärts zu stoßen, schlug sie ihm ins Zwerchfell. Der Hieb sollte ihn nur provozieren. Er schnaubte und ging auf sie zu.
    Füße – schulterbreit, Knie leicht gebeugt, der Rücken gerade: Ihr Körper hatte sich augenblicklich auf die Konfrontation vorbereitet. Sie hob die Hände an, ihr Blick fixierte seinen Oberkörper und die Arme – kein Augenkontakt, der sie hätte ablenken können. Sie wehrte den ersten Angriff ab, ihr Körper wusste genau, was zu tun war, jede Regung erfolgte automatisch – die Reflexe hatten sie noch nicht gänzlich verlassen, trotz Durst und Hunger und ihrer Erschöpfung. Die Mühelosigkeit, mit der sie dem Schlag entging, schien ihren Widersacher zu reizen. Er ballte die Fäuste, stürzte auf sie zu und ließ eine seiner Pranken hochschnellen.
    Du musst spüren, wohin dein Gegner fallen will , hörte sie ihren Vater sagen. Nicht nachdenken, das dauert zu lange – spüren!
    Sie war sich nicht sicher.
    Zum Teufel.
    Sie war sich einfach nicht sicher.
    Er packte sie am Oberarm. Sie fühlte seine Kraft, seine Bewegung, seine Masse, die nichts mehr aufhalten konnte.
    Jetzt!
    Sein Arm war ihr Hebel, schon kam er aus dem Gleichgewicht, noch ohne es zu merken. Sie drehte ihn und ließ ihn über ihr Bein fallen. Mit der ganzen Gewalt, die ihr gegolten hatte, krachte er zu Boden.
    Ein paar Herzschläge lang wagte sie nicht, sich zu rühren. Was nun? Die Halsschlagader abdrücken, wie ihr Vater es ihr beigebracht hatte? Ihr Gegner war bereits dabei, sich aufzurappeln.
    Panik.
    Mit einem Fuß trat Juna ihm gegen den ungeschützten Hals, dann gleich noch einmal. Sie hörte sein Röcheln, dann nichts mehr, fuhr herum und stürmte davon.
    Hoffentlich habe ich ihn nicht umgebracht. Oh mein Gott. Ich habe ihn umgebracht. Ich habe ihn doch noch umgebracht.
    Ihr wurde schwindelig.
    Irgendwo hinter ihr hörte sie, wie eine Autotür ins Schloss fiel. Der Fahrer war ihr bestimmt auf den Fersen. Sie rannte schneller, doch ihre Füße schienen den Boden zu verfehlen, alles wirkte so unerreichbar. Ein schmaler Gang zwischen zwei Baracken – sie lief hinein, bog um eine Ecke – und stieß mit jemandem zusammen. Ihre Beine knickten ein. Sie fiel. Nein, nicht schlapp machen, nicht jetzt!
    Der Mann, er beugte sich zu ihr herab, streckte seinen Arm aus. Sie zuckte zurück. Er griff nicht nach ihr, sondern hielt einen Moment inne. Dann bot er ihr die offene Hand dar.
    »Nick«, sagte er. »Weißt du noch?«
    Ihr Herz schlug so heftig, dass ihr ganzes Inneres zu vibrieren schien. Die blonden Haarsträhnen. Diese Augen. Dunkel wie Kagor , der Wein ihrer Großmutter. Sein Blick umfasste sie sanft. Etwas lag darin, das sie nicht zu deuten wagte.
    Und dann sah sie die Pistole in seiner anderen Hand.
    Nein! Sie wollte nicht zurück. Nicht mehr der Gewalt und der Willkür fremder Männer ausgeliefert sein.
    »Wir haben keine Zeit! Dawaj ! Verstehst du?« Er beugte sich noch ein Stück zu ihr herüber. Sie packte ihn am Handgelenk, nutzte seine Bewegung, um ihn zum Fall zu bringen. Überrascht keuchte er auf, als sein Körper neben ihr auf dem Boden aufschlug. Schon war sie auf den Beinen und stürmte davon.
    Die Umgebung löste sich vor ihren Augen auf. Sie lief, ohne zu merken, wohin, ohne zu wissen, ob sie überhaupt vorwärts kam oder sich nur im Kreis drehte.
    Irgendwann hielt sie an und lehnte sich gegen eine Wand. Mit dem wenigen Speichel, den ihr Mund noch hergab, benetzte sie die Finger und rieb an ihrer Haut, um unter dem ganzen Schmutz eine Einstichstelle zu finden. Nichts zu sehen. Auch am anderen Arm nichts. Sie stieß sich von der Wand ab. Weiter, sie musste weiter. Weg.
    Ihre Glieder fühlten sich immer schwerer an. Sie taumelte ein paar Schritte vorwärts und musste sich wieder an der Wand abstützen. Ihre Beine zitterten, als könnten sie ihr Gewicht nicht mehr tragen. Mit der Schläfe lehnte sie sich gegen den Putz. Sie würde nicht weit kommen, würde ihren Peinigern nicht entfliehen können, zumindest nicht, wenn sie weiterlief.
    Irgendwo fielen Schüsse. Sie kauerte sich zusammen, drückte sich die Handballen gegen die Schläfen. Aufstehen. Weiter. Sie suchte an der Wand Halt, aber ihre Beine gaben immer wieder nach. Ihr Blick fiel auf die halb zerbrochenen Holzpaletten, die sich etwas weiter in einer Ecke stapelten. Vielleicht würde es ihr gelingen, sich zu verstecken, einfach abzuwarten, bis sie

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