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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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dieser Versuch sinnlos war. Fliehen würde sie auch ohne Schuhe.
    Barfuß trat sie in den Flur. Gestern hatte sie nicht den Kopf gehabt, sich die Umgebung genauer einzuprägen. Jetzt war die Gelegenheit günstiger. Der Boden war mit einem weichen Teppich ausgelegt, dunkel-pink mit schwarzen Schwaden, die wie Tinte verwaschene Muster in das weiche Gewebe zeichneten. Er fühlte sich fremd an unter ihren Füßen. Daheim hatten sie nur im Schlafzimmer einen Teppichläufer, der vom Stoff her auch eine Tischdecke hätte sein können. Die schönen dunkelroten und braunen Teppiche, beide mit pseudo-orientalischen Mustern, in denen Juna oft Prinzessinnen und Ritter auf hohen Rössern zu erkennen glaubte, hatte ihre Oma an die Wände getackert. Strategisch verteilt an den Seiten zur Nachbarin, denn die Warja – die wärmt doch ihre Ohren immer an den Wänden , hatte ihre Oma stets gemurrt. Aber vielleicht fand sie die aufgehängten Teppiche einfach nur schön. Außerdem waren es zwei, einer mehr als bei der Warja, die doch nur daran denkt, mit ihrem Kram zu protzen .
    Bei der Ausstattung hier wäre Warja gänzlich erblasst, dagegen war die in den Neunzigern so begehrte Euro-Standard-Renovierung , mit der die Nachbarin im Treppenhaus so angegeben hatte, gar nichts. Auch Oma wäre ganz sicher entzückt. Allein von den verchromten Deckenlampen.
    Vom Flur gingen mehrere Türen ab, die mit elektronischen Schlössern gesichert waren, für die man Magnetkarten brauchte. Ein Hotel war das nicht. Sie erinnerte sich an die Liste mit den Frauennamen. An Sneschana.
    Etwas weiter stand eine der Türen offen, Juna hörte ein Rascheln und Klappern, und kam näher, von den Geräuschen angelockt. In ihrem Kopf türmten sich so viele Fragen auf, dass sie beinahe jeden angegangen wäre, der das Pech hatte, ihr über den Weg zu laufen. Der Raum war mit einem Himmelbett ausgestattet, sogar die Decke war mit Tüchern überspannt, die herabhingen und eine Art Kuppel oder Gewölbe bildeten. In weißen und hellblauen Tönen gehalten, vermittelte die Einrichtung etwas Luftiges und Feenhaftes. Und etwas unglaublich Trauriges.
    Hinter dem Bett kam eine Frau zum Vorschein, die gerade die Laken wechselte. Ihre Griffe waren sparsam und routiniert. Eine leise Schönheit lag in ihren Bewegungen, die Juna nur ungern störte.
    »Hallo«, versuchte sie es auf Deutsch.
    Die Frau wirbelte herum, das Laken an die Brust gepresst. Juna keuchte. Das junge Gesicht war von einem Netz aus längst verheilten Schnitten überzogen, blasse Narben, hauchdünn in die Haut eingekerbt, als hätte ein durchgeknallter Schönheitschirurg seine Markierungen darauf gelassen. Eine Narbe am Hals schnitt in die Haut wie eine Schlinge.
    »Entschuldigung«, stammelte Juna und wusste nicht, warum sie sich entschuldigte. Weil sie so erschrocken reagiert hatte? Weil sie dieses Gesicht noch immer anstarrte?
    Die Frau wandte sich rasch ab und setzte ihre Arbeit fort, nur ihre Bewegungen wurden fahriger, die schmalen, blassen Hände schienen sich im Laken zu verzetteln.
    »Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht machen Angst«, versicherte Juna und erntete einen hastigen, erschreckend toten Blick. Die Frau leerte einen kleinen Eimer neben dem Bett in eine Plastiktüte. Es war kaum etwas drin: ein paar zerknüllte Bonbon-Hüllen, ein angerissenes Kondompäckchen und das Gummi selbst, gefüllt und zugeknotet.
    Leer, diese Stille.
    Der schwere Geruch, die schlaffe Hülle, der dickflüssige Samen, der über Zdenkas Brüste kriecht – und Juna konnte sich kaum rühren.
    Die Frau raffte ihre Utensilien zusammen und huschte an ihr vorbei in den Flur. Obwohl sie humpelte, war sie flink wie ein Silberfisch.
    »Warten Sie! Ich suche Paschik.«
    Die Frau verharrte, ohne sich zu ihr umzudrehen, die Schultern sackten nach vorne. Juna holte sie ein. »Paschik. Sein Büro. Warten Sie.«
    Die Frau wartete, verlor aber kein Wort.
    »Sie kennen Paschik, richtig? Chef von dem Club? Ich suche ihn. Können Sie sagen mir, wo ich finde Pawel?«
    Die Frau schüttelte den Kopf, ohne den Blick von den Händen zu heben, mit denen sie die Mülltüten und ihre Utensilien umklammerte.
    »Ist alles gut?«, startete sie einen neuen Versuch.
    Erst jetzt sah die Frau zu ihr auf, öffnete den Mund …
    Der Typ erschien wie aus dem Nichts. Mit einem federnden Gang betrat er den Flur, breitbeinig, als gehöre ihm der ganze Laden hier samt Teppichen. Sein Blick und seine Bewegungen hatten dennoch etwas Unruhiges wie bei einem

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