Im Netz des Verbrechens
so einem Druck nach dir suchen ließ. Irgendetwas Großes geht hier vor.« Er zögerte, dann holte er sein Handy aus seiner hinteren Tasche. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Kannst du übersetzen, was hier gesagt wird?« Er drückte eine Taste.
Zuerst hörte sie nichts als Rascheln, dann tönte irgendwo in der Ferne eine undeutliche Stimme – Paschiks Stimme? Die Worte waren kaum zu verstehen, sie klangen verwaschen und gedämpft wie durch eine Socke genuschelt. »Mache noch mehr laut, okay?«
»Ich kann es nicht lauter machen, das ist alles, was ich da rausholen kann.«
Sie lauschte angestrengt. »Paschik spricht. Ja, das ist er. Bin sicher. Er telefoniert?«
»Ja. Er hat telefoniert. Aber ich weiß nicht, mit wem.«
Er beugte sich ebenfalls über das Telefon. Sein Haar streifte ihre Stirn; sie konnte einfach nicht anders, als ihm durch die Strähnen zu fahren, merkte, wie er innehielt, und senkte rasch die Hand.
»Pawel spricht mit Frau«, beeilte sie sich, ihre Verlegenheit zu überspielen. Ihre Stimme klang sogar überraschend geschäftlich und fest.
»Woher weißt du das?«
» Ty soglasna ?, fragt er, bist du einverstanden? An Verb weißt du in Russisch, ob Mann oder Frau. Wenn er mit Mann spricht, heißt das: Ty soglassen ?«
»Er spricht also mit einer Frau. Nennt er ihren Namen? Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte?«
»Dshanan. Ich glaube, sie heißt Dshanan.«
»Die Frau aus dem Mercedes …« Nachdenklich kaute er auf der Unterlippe.
»Du kennst diese Frau? Wer ist sie?«
»Ich wünschte, ich wüsste das. Worum geht es bei dem Gespräch?«
Sie runzelte die Stirn. Es fiel ihr so schwer, die einzelnen Wörter auseinanderzuhalten. »Sehr schlecht zu hören. Irgendein Treffen. Dieses Mal wird das anders , sagt er. Und: Verschwinden … Da! Er sagt was über die Krähe . Aber ich verstehe nicht, was.«
»Jemand muss verschwinden? Plant er einen Anschlag auf die Krähe ? Verdammt, was geht da vor?«
Sie rieb sich über die Stirn. Pawel sprach immer leiser, die kargen Sätze wurden noch undeutlicher. »Er weiß … Ort … ja, es geht um einen Ort – jetzt sagt er: Gut vorbereiten …« Jäh verstummte sie. Das Plaza Hotel , hatte Paschik gesagt, gerade eben. Sie hatte es genau gehört. Ein Gefühl der Unwirklichkeit kribbelte ihre Wirbelsäule hoch bis zum Verstand. Das Gespräch im Treppenhaus. Keine Sorge, schon bald wird keiner mehr den Schatten der Krähe fürchten müssen. Den Schatten der Krähe. Ich weiß, was zu tun ist. Alles ist vorbereitet. Du bekommst, was du willst … Was bedeutete das? Wer stand hinter Pawels Machenschaften?
»Juna? Was ist los?«
»Nichts.«
Sie musste sich abstützen, tastete nach einem Halt und taumelte. Nick war sofort bei ihr. Sie war so unendlich dankbar, sich an ihn anlehnen zu können. Konnte es wirklich sein? Konnte es sein, dass ihr Vater die Krähe war?
Ihr Blick schnellte hoch zu der Fensterfront von Pawels Büros.
Alles dunkel. Leer.
Bis auf eine Silhouette, die hinter dem Glas verharrte.
Sie riss sich von Nick los und stürmte davon.
Nick
Die Nachtluft durchströmt mich, als würde sich der sternenweite Himmel auf mich herabsenken. Nach ein paar Atemzügen denke ich wieder klarer, und der Gedanke lautet: Scheiße!Ich hole mir eine Zigarette aus der Schachtel. Als ich die Taschen mechanisch nach einem Feuerzeug abklopfe, ertaste ich das goldene von Pawel. Ich will es nicht anrühren, und zünde mir den Stängel doch noch damit an. Ich will nur einen Zug nehmen, und dann folgt der zweite, der dritte, der vierte … Die Packung informiert mich, dass Rauchen mir und den Menschen in meiner Umgebung erheblichen Schaden zufügt. So wie ich also.
Die Zigarette schmilzt mit jedem Zug. Als sie bis zum Filter abgebrannt ist, schnippe ich sie weg. An dem Mülleimer vorbei. Ich sehe, wie sie auf dem Bürgersteig ausglüht. Ich hole mein Handy hervor – es ist gerade mal halb eins – und starre auf das Display. Was war da los, im Club? Verdammt. Ich hätte Juna dieses Gespräch nicht zeigen dürfen. Kann ich ihr wirklich vertrauen? Ich stecke mir noch eine Zigarette an, die Schwaden wölben sich und zergehen in der Dunkelheit. Ich stelle mir ihren geschmeidigen Körper vor, der sich biegt und wiegt in fließenden, grazilen Bewegungen. So etwas Elegantes habe ich noch nie gesehen, noch nicht einmal, als ich einmal zu Giselle mitgeschleppt wurde und mir lauter Ballerinas in Gardinenröcken ansehen durfte. Bei Juna habe ich mir
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