Im Netz des Verbrechens
fallen.
»Vorsicht!«, hörte sie ihn rufen. Schon flog sie außen herum auf die andere Seite der Bühne.
»Was ist? Nick. Wie Nicholas. Du sagst, du willst nicht anlügen mich. Erzähle über dich! Ohne Lügen.« Ein wenig bange wartete sie auf seine Reaktion, obwohl sie sich so unbeschwert fühlte, wie lange nicht mehr.
Er kam auf sie zu. Sie duckte sich hinter einer Stoffbahn, und wieder kriegte er sie nicht zu fassen. »Das habe ich nicht gemeint, als ich gesagt habe, ich müsse mit dir reden.«
Sie blieb stehen. Wenn er Deutsch sprach, fühlte sie sich fremd hier. Daran erinnert, dass sie weit weg von all dem war, was sie kannte.
Was ist, wenn sie bliebe?
Bei ihm.
Doch zu bleiben – das stand nicht zur Diskussion.
»Aber ich!«
»Gut. Mal sehen.« Er strich die Stoffplane beiseite und grinste. »Ich schnarche im Schlaf. Meinst du, das reicht als Enthüllung?«
»Schnarchen? Was ist das?«
Jetzt lachte auch er. Mit den Finger fuhr er ihren Arm hoch und schob den heruntergerutschten Spaghetti-Träger zurück. »Geräusche machen. War nur ein Witz.«
»Dann sag mir ohne Witz und ohne Lügen.« Sie knotete zwei Stoffbahnen zusammen und ließ sich in der Schlaufe nieder. Vorsichtig wiegte sie sich vor ihm hin und her, eine Wange an das Tuch gelehnt. Sie hätte gern ihre Hände auf seine Schultern gelegt, ihm über die Brust und den Bauch gestrichen, an der Linie des Gürtels entlang, bis sie seinen Po-Ansatz ertastet hätte. Sie würde seine Gürtelschnalle aufmachen, und sich bestimmt verheddern, und der Reißverschluss würde mit Sicherheit klemmen, aber das war doch das Schöne daran, dass die Realität so unperfekt war. Er würde etwas Witziges dazu sagen, und sie würde lachen – nicht, weil sie den Witz tatsächlich verstünde, sondern weil sie so glücklich sein würde, trotz der widerspenstigen Gürtelschnallen und klemmenden Reißverschlüsse. »Sag«, bat sie ihn noch einmal.
»Was willst du denn wissen?«
Slip oder Boxershorts ? Hatte sie gerade wirklich daran gedacht? Anscheinend. Kein Grund, so eindringlich seinen Hosenbund anzustarren.
Sie tippelte nach hinten, um die Schaukel in Bewegung zu setzen. Er gab ihr einen leichten Schwung. Ihre Füße lösten sich vom Boden. Sie schloss kurz die Lider und genoss den Luftzug auf ihrem Gesicht und das Gefühl der Stoffbahnen, die sie streichelten. »Irgendwas«, hauchte sie, als sie an ihm vorbeischwebte.
Sie bewegte ihren Oberkörper im Takt des Wiegens. Dass Schaukeln eine so angenehme Erfahrung sein konnte, war ihr bis jetzt entgangen.
»Irgendwas«, wiederholte sie.
Sie wollte nur seine Stimme hören und sich darin wiegen. Der Luftzug kühlte ihr Gesicht und kam doch nicht gegen die Hitze an. Es war unmöglich, stillzusitzen, sie rutschte auf dem Knoten hin und her, und manchmal spürte sie seine Hand an ihrem Po, die ihr mehr Schwung gab, und sie wünschte, seine Finger würden noch ein bisschen weiter gleiten.
»Mehr«, hauchte sie.
»Ich habe doch gar nichts gesagt.« Seine Stimme klang belegt. Vielleicht bildete sie es sich bloß ein. Sie könnte sich verlieben in seine Stimme. In seine Augen. In sein Gesicht.
»Ich will dich …«, sie schluckte, »kennen … kennenlernen. Nick. Wie Nicholas. Warum du bist so.«
Der erste Schwung klang aus. Nur noch leicht trug die Schaukel sie hin und her.
Seine Hand legte sich auf ihren Rücken und strich hinunter, als er ihr wieder Schub gab. »Wie – so?«
»Ich weiß nicht. Traurig«, sagte sie schließlich, auch wenn ihr Wortschatz bei Weitem nicht ausreichte, das, was sie fühlte, zu beschreiben. Er war wie der Klang der Gedichte, die sie mit ihrer Seele nicht zu umfassen vermochte.
»Ich bin nicht traurig.«
»Aber doch! Wenn ich sehe dich, und du nachdenkst, über etwas, dann siehst du traurig, ja.« Sie drehte sich zu ihm. Die Schaukel beschrieb eine Kurve. Er wollte sie auffangen, doch der Schwung brachte ihn aus dem Gleichgewicht und sie polterten beide auf die Bühne.
Sie landete direkt auf ihm, seine Hände rutschten unter ihr Negligé und sie fühlte seine warmen, etwas rauen Finger. Nein, wenn sie ihn jetzt anschaute, wie er versuchte, ihr Haar aus seinem Gesicht zu pusten, war er ganz und gar nicht traurig. Sorgenfrei, und wenn sie ihren Unterleib etwas fester an ihn drückte, auch erregt. Vorsichtig schob sie ihr Bein zwischen seine Oberschenkel. »Alles gut?«
Er strich ihr die Haarsträhnen zurück. »Ja.« Zusammen mit ihr rollte er zur Seite. Im Rücken fühlte sie
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