Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
gefährlicher als das angeblich so gefährliche Skifahren, wo auf 100 Aktive nur 1,5 ernsthaft Verletzte pro Jahr kommen. König Fußball ist ein Schläger! Die Zahl zeigt auch, dass Stutzen und Schienbeinschoner keinen ausreichenden Schutzpanzer darstellen und dass Kicker unbedingt Strategien entwickeln müssen, um Heinz Müller und dessen Sportsfreunden auszuweichen. Falls Sie sich also unverhofft auf einer Bezirkssportanlage mit frisch gemähtem Gras und weißen Kreidelinien wiederfinden, versuchen Sie nicht in Panik zu geraten und vermeiden Sie jede Provokation des Gegenspielers, die diesen dazu veranlassen könnte, wie es in der Fußballsprache heißt, «ein Zeichen zu setzen». Betreiben Sie Smalltalk statt Trash Talking, loben Sie seine Fitness und die Schönheit seiner Tochter. Wenn Sie zum Dribbling ansetzen, halten Sie den Kopf oben und die Gegenspieler im Blick, nur so ist es möglich, der Grätsche im Notfall durch einen beherzten Sprung auszuweichen. Das beste Mittel gegen den Zweikampf und die damit einhergehende Verletzungsgefahr ist allerdings das Hochgeschwindigkeits-Kurzpassspiel des FC Barcelona: Im Idealfall hat kein Spieler den Ball lange genug am Fuß, um sich diesen vom Gegenspieler brechen zu lassen.
Die Statistik zeigt deutlich, dass das Risikopotenzial einer Sportart auch davon abhängt, mit wem (und gegen wen) man ihn betreibt. Während jeder sechste männliche Sportler zwischen 18 und 29 einmal im Jahr zum Arzt geht, ist es bei gleichaltrigen Frauen nur jede 22. Bei beiden Geschlechtern nimmt das Verletzungsrisiko mit dem Alter noch einmal ab. Körperprotzerei und übersteigerter Ehrgeiz dürften die Ursachen für den Selbstzerstörungsdrang der jungen Männer sein. Wer sich selbst gefährdet, nimmt aber auch auf andere Menschen keine Rücksicht. Deswegen ist es am sichersten, auch als junger Mann mit Seniorinnen Fußball zu spielen. Die Damen bekommen unverhoffte gegengeschlechtliche Aufmerksamkeit und neue Spielpartner. Sie selbst bewahren sich heile Knochen und glatte, unverschorfte Haut – ein fairer Deal.
Falls Sie über Alternativen zum Fußball nachdenken, sollten Sie berücksichtigen, dass jede Sportart gefährlich ist, bei der es darum geht, ein rundes Objekt durch die gegnerischen Abwehrreihen in ein wie auch immer geformtes Ziel zu bugsieren: Mit 14 Verletzten pro 100 Sporttreibende sind Handball und Basketball fast ebenso so gesundheitsschädlich wie das «schöne Spiel» von Pelé, Maradona und Messi. In den Team-Ballsportarten besteht durch den körperlichen Kontakt, die Zweikämpfe und das ausgeprägte Revierverhalten der gegnerischen Mannschaft ein erhöhtes Verletzungsrisiko, außerdem erhöht sich durch die physische Intimität und Psychospielchen die Gefahr von Racheakten und Rudelbildungen. Ballsportarten sind aus der mittelalterlichen Freizeitbeschäftigung hervorgegangen, bei der zwei Dorfgemeinden versuchten, einen Schafskopf/Ball auf dem Marktplatz der Gegner zu platzieren. Das archaische Echo des Mittelalters ist bei Hand- und Fußball noch spürbar. Geringer ist die Verletzungsgefahr beim Volleyball, bei dem die Gegner durch einen Grenzzaun getrennt werden. Eine zivilisierende Maßnahme, die nicht hoch genug zu schätzen ist. Grundsätzlich ist eine Sportart dann besonders sicher, wenn sie auch alleine ausgeübt werden kann, keine schnellen und abrupten Richtungswechsel verlangt, sondern nur jederzeit kontrollierbare, stetige Bewegungen fordert und am besten auf ebener Fläche stattfindet: Beim Wandern und Schwimmen ist das Verletzungsrisiko kaum messbar.
Allerdings geht es ja beim Sport genau darum, die psychischen und physischen Grenzen auszutesten und ein wenig Schmerz in den überzivilisierten Alltag zu integrieren. Das wird dadurch deutlich, dass die größten Sporthelden eben die sind, die ihre körperlichen Grenzen, die Angst und Schmerzen überwunden haben und trotzdem siegreich aus dem Wettkampf hervorgegangen sind. Der deutsche Torwart Bert Trautmann, der in den fünfziger Jahren als Torwart in England aktiv war, blieb in einem Pokalfinale trotz eines gebrochenen Nackenwirbels auf dem Platz und sicherte den Sieg – was man ihm in England immer noch hoch anrechnet. Es ist nun mal leider so: «Großer Sport», schrieb Bertolt Brecht, «fängt da an, wenn er längst aufgehört hat, gesund zu sein.»
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15. Lebensmittelvergiftung DIE GEFAHR IM KÜHLREGAL
Nicht jeder kann sich einen Vorkoster leisten: Tipps gegen Gammelfleisch,
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