Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Acrylamid und Bio-Dünger.
Die Schiebetüren des Supermarkts öffnen sich mit leisem Summen, und der mündige Konsument betritt ein hell ausgeleuchtetes Paradies, in dem die Sonne niemals untergeht und Milch und Honig zwar nicht unbedingt durch die Gänge fließen (das wäre ja auch recht unhygienisch), aber immerhin ordentlich in Tetrapak und 500-Gramm-Glas verpackt und ausreichend auf Lager gehalten werden. Doch der erste Eindruck täuscht, wie das eben so seine Art ist. Zwar schimmert das Obst, das durch Sprinklerdüsen mit Wasserstaub bespritzt wird, frisch und farbenfroh, und die Hähnchenschenkel liegen wohlgeordnet im Tiefkühlregal, ganz so, als würden sie eine Schlange bilden und sich zum Verzehr anstellen. REWE, EDEKA und Lidl gleichen aber nicht dem Garten Eden nach der Generalinventur, sondern eher einem tropischen Dschungel, in dem die Früchte am gefährlichsten sind, die am verlockendsten glänzen, und der einsame Wanderer schnell die Orientierung verliert.
Im Zeitalter der global-industriellen Nahrungsproduktion gehört der Lebensmittelskandal zum Programm wie Konservierungsstoffe und Supersonderangebote. Leider können Sie sich in unserem profitorientierten Wirtschaftssystem nicht darauf verlassen, dass wirklich jede Firma in dem langen und verschlungenen Herstellungsprozess Ihre Gesundheit über die eigene Gewinnkalkulation stellt. Genau wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren schmerzvoll lernen mussten, dass ein Knollenblätterpilz weniger bekömmlich ist als ein Champignon und ein Pfifferling, ist es nun am modernen Rabattjäger und Sammler, im Supermarkt das notwendige Wissen und Fertigkeiten zu entwickeln, um genießbare Nahrung von Gift zu unterscheiden.
Gammelfleisch: Im Zeitalter von Burger, Döner und Hähnchen-Nuggets muss sich der Mensch erst wieder mit dem originären Erscheinungsbild von Fleisch vertraut machen. Es empfiehlt sich, ein Kotelett vor dem Kauf zu betasten, es dicht vor die Augen zu führen und daran zu schnuppern. Lassen Sie sich durch die Kunststofffolie nicht abhalten. Bekömmliches Fleisch riecht neutral bis leicht säuerlich und niemals süß; der Drucktest sollte ein elastisches Resultat ergeben. Frischfleisch schwimmt niemals im eigenen Saft und weist auf keinen Fall eine graue Farbe auf, ist vielmehr rosa (Geflügel), hell- bis dunkelrot (Rind) oder rötlich bis dunkelbraun (Wild). Das helle Adergeflecht, welches das Fleisch durchzieht, ist auch als Fett bekannt und ein wichtiger Geschmacksträger. Sollte das Fett nicht weiß aussehen, sondern gelblich, so lässt das ebenfalls auf einen hohen Gammelfaktor schließen. Wer seinen Sinnen beim Fleischtest nicht über den Weg traut, sollte versuchen, die von dem Physiker Heinar Schmidt entwickelte Anti-Gammelfleisch-Laserpistole zu erwerben. Mit der Lichtwaffe zielt man auf einen Fleischklumpen, das Gerät analysiert das vom Fleisch zurückgestrahlte Licht und beurteilt anhand des molekularen Musters den Frischegehalt. Was der Laser leider noch nicht kann: als ungesund identifizierte Waren sofort vernichten.
Acrylamid: Kekse, Kaffee, Pommes frites – so unterschiedlich diese Lebensmittel auch sein mögen, lauert tief in ihrer molekularen Seelenstruktur doch eine identische Gefahr: C3H5NO, besser bekannt als Acrylamid, eine krebserregende chemische Verbindung, die dem Menschen lange Zeit vor allem als Stabilisator und Flockungsmittel in der Papierherstellung bekannt war. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts tauchte der Stoff dann plötzlich in unterschiedlichsten Delikatessen auf. Es stellte sich heraus, dass beim Braten und Frittieren von Getreide oder Kartoffeln über 120 Grad Celsius der Zucker und der Eiweißbaustein Asparagin zu Acrylamid verschmelzen. Leider hat weder Foodwatch noch der individuelle Konsument die Möglichkeit, in den Produktionsstätten von Bahlsen, Bofrost oder Jakobs den Hitzeregler zu kontrollieren. Was bleibt, ist ein Stoßgebet an Laurentius von Rom, den Schutzheiligen der Köche, der während der Christenverfolgung über einem Feuer auf ein Rost gebunden und verbrannt wurde – sowie der Ratschlag, in der eigenen Küche auf das scharfe Anbraten von stärkehaltigen Substanzen zu verzichten. Die Parole lautet: Vergolden statt Verkohlen.
Salmonellen und Campylobacter: 30 Prozent aller großen deutschen Legehennenbetriebe sind von Salmonellenbefall betroffen. Im Ausland soll die Zahl noch weit höher liegen. Da sollte es einen nicht wundern, dass in Deutschland jährlich mehr als 45 000
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