Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
beliebter. Als im Frühjahr 2009 in Mexiko die Schweinegrippe erste Opfer forderte, gehörten die Schutzmasken, die Ruß, Pollen, Viren und Bakterien herausfiltern, bald zum Straßenbild. Mexiko-Stadt sah aus, als würde der Weltkongress der Chirurgen oder ein Antifa-Meeting dort stattfinden.
Die Anonymität der Maske schützt die Menschen vor Viren (und dem Blick der Überwachungskamera), kränkt aber auch unseren Wunsch nach Individualität und Einzigartigkeit. Einige Mexikaner begannen, die Maske als Leinwand zu nutzen, und malten Bärte, Herzchen und Leberflecken auf die Gaze, einen nach oben geöffneten Halbkreis oder eine grimmige Zickzack-Linie, und vermittelten den Mitmenschen so ihre Laune – die Schutzmaske als Emoticon. In Japan ist der Mundschutz längst zu einem saisonalen Mode-Accessoire wie der Schal oder der Muff geworden. Im Herbst und Winter tragen Menschen dort Kreationen von Firmen wie Pico oder Decori, die eine ganze Kollektion von Schutzmasken anbieten, wahlweise mit orientalischen Ornamenten, Schmetterlingen, Karomustern oder Rock-’n’-Roll-Motiven verziert. Wer gesund bleiben will, muss nicht hässlich werden. Indem man sich mit nebensächlichen Fragen beschäftigt, beweist man Haltung im Angesicht des Todes. Das beliebteste Motiv ist übrigens der Totenkopf.
Beauty-Produkte: 85 Prozent Bakterien und Viren, so schätzt man am Institut für Hygiene, werden über die Hände aufgenommen. Auch wenn Sie regelmäßig zur Maniküre gehen: Unter jedem Fingernagel leben mehrere Milliarden Mikroben, die in den Körper gelangen können, wenn man sich mit Fingern über Mund oder Augen streicht. Achten Sie deshalb auf Hygiene und desinfizieren Sie regelmäßig Ihre Hände. Eine Studie der Universität Manchester hat herausgefunden, dass sich 30 Prozent der Menschen nach dem Gang zur Toilette nicht die Hände waschen; an den Fingern von 53 Prozent der Männer fand man Fäkalbakterien. Sauberkeit ist Selbstverteidigung. Nun will man nicht als hysterischer Hypochonder gelten, der eine Kundenkarte vom Hygiene-Großhändler hat und 3-Liter-Flaschen Lysol kauft. Füllen Sie das Desinfektionsspray in leere Parfümflakons, oder arbeiten Sie mit Teebaumöl oder Patschuli, die ebenfalls eine desinfizierende Wirkung haben.
Manieren: Der Handschlag ist eine der wichtigsten Erfindungen in der Geschichte der Menschheit. Das Ausstrecken der Hand sollte dem Gegenüber ursprünglich signalisieren, dass man unbewaffnet ist und der Schwertarm friedlichen Zwecken dient. In einer urdemokratischen Geste geht es beim Handschlag nicht um die Demonstration von Statusunterschieden und Machtverhältnissen, wie es mit Bücklingen und Kniebeugen jahrhundertelang die Regel war. Zwei Individuen begrüßen sich stattdessen auf gewaltfreie und gleichberechtigte Art und Weise, als Gleiche unter Gleichen. Doch schon während der Grippepandemie 1919 gab es viele Städte, in denen Händeschütteln verboten wurde. Ein zivilisatorischer Rückschritt. Wie kann man dem Gegenüber sein Wohlwollen und Respekt in Zeiten der Cholera und Masern kommunizieren? Die WHO hat ihre Mitarbeiter für den Worst Case angewiesen, den Händedruck durch den «elbow bump» zu ersetzen – die Menschen berühren sich mit der Spitze des rechten Ellbogens, was aussieht wie aus einem Rap-Video der achtziger Jahre. Eine Alternative wäre natürlich auch die Umarmung oder der Schlag auf die Schulter (ein Kuss ist weniger gefährlicher als ein Händedruck). Aber das ist womöglich zu intim und kumpelhaft und eignet sich sicherlich nicht für den professionellen Kontakt. Eine andere Lösung wäre, zum Buddhismus zu konvertieren: Die Verbeugung drückt Respekt und Würde aus, und der Dalai Lama liegt immer im Trend.
Diskretion: Im Falle einer Pandemie ist es wichtig, den Kontakt mit Oberflächen, die auch von anderen Menschen berührt werden, zu vermeiden, also Geländer, Münzen, Haltegriffe. Denn Grippeviren überleben bis zu zwei Tage auf einer glatten Oberfläche. Nun kann man zwar durch richtige Beinstellung (etwa schulterbreit, Knie leicht gebeugt) und ein austrainiertes Balancegefühl die Notwendigkeit reduzieren, sich in der U-Bahn am Haltegriff festhalten zu müssen. Und indem man die Arme auf dem Rücken verschränkt, verringert man nicht nur die Infektionsgefahr, sondern strahlt auch die distinguierte Aura eines englischen Lords aus. Wie aber in einem Laden vorgehen, wenn man der Kassiererin das Bargeld gibt? Die Lösung bietet das
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