Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Experiments an. Aber es war zu spät. 60 Sekunden später erschütterte eine enorme Explosion das Kraftwerk und blies radioaktive Teilchen in die Atmosphäre.
Ein Jahr später wurde Djatlow, der bei dem Reaktorunfall eine hohe Dosis radioaktiver Strahlung abbekommen hatte, wegen «kriminellem Leiten eines potenziell explosionsgefährlichen Versuchs» zu zehn Jahren Haft verurteilt. Djatlow aber war kein Saboteur. Der Mann war einfach nur todmüde.
Die Nacht ist eine gefährliche Zeit, nicht nur weil man im Dunkeln oft stolpert oder Verbrecher unterwegs sind, sondern auch, weil die menschliche Leistungsfähigkeit sinkt: Wenn die Sonne untergeht, stellt sich der menschliche Organismus auf Schlaf und Erholung ein. Ab 22 Uhr nehmen Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsvermögen rapide ab. Der Tiefpunkt ist zwischen drei und vier Uhr morgens erreicht. Kein Wunder, dass genau in diesem Zeitfenster, wenn sich das Gehirn im Stand-by-Modus befindet, besonders viele Unfälle und Katastrophen stattfinden. Nicht nur Tschernobyl, der folgenschwerste Industrieunfall aller Zeiten, ist ein Kind der Nacht und der Müdigkeit. Auch der Untergang des Öltankers Exxon Valdez, der 1989 vor Alaska sank, wurde durch einen übermüdeten und überforderten Steuermann verursacht (der Kapitän lag besoffen in der Koje). Im (Straßen-)Alltag spielt Müdigkeit ebenfalls eine wichtige Rolle: 30 Prozent der Unfälle auf deutschen Autobahnen werden durch müde Fahrer verursacht. Der Schlafforscher Jürgen Zulley schätzt, dass die weltweiten Schäden durch Müdigkeit am Arbeitsplatz bei 300 bis 400 Milliarden Euro liegen.
Im 21. Jahrhundert herrscht eine allgemeine Schlaffeindlichkeit. Manager und Politiker rühmen sich damit, dass sie nur drei bis vier Stunden Schlaf brauchen. Unternehmensberater und Rechtsanwälte, die man in Flugzeugen oder Hotelbars trifft, geben gerne damit an, einen «Allnighter» durchgezogen haben, 24 Stunden Arbeit am Stück. Schlafen scheint in der Welt der High-Performer eine Charakterschwäche zu sein, der man am besten gar nicht nachgibt, und wenn doch, dann nur für ein paar Stunden. Augenringe sind die Orden der 24-Stunden-Arbeitsgesellschaft. Dabei verhält sich ein Mensch, der 24 Stunden nicht geschlafen hat, wie eine Person, die drei bis vier Bier getrunken hat.
Wann, ist die Frage, wachen wir endlich auf?
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30. Polizeigewalt WIR SIND DAS VOLK
Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstock: Wie sich der Wutbürger gegen die Waffen des Unterdrückungsstaats wehren kann.
Im frühen 21. Jahrhundert erreicht die Demokratie in Deutschland eine neue Evolutionsstufe. Das liegt allerdings nicht an einer Reform des Wahlrechts oder der Einführung eines bundesweiten Volksentscheids. Exekutive, Legislative und Judikative werkeln routiniert vor sich hin, und auch die Medien, die vierte Gewalt, können ihre Langeweile und das permanente Déjà-vu-Gefühl nicht verbergen. Nur die Bürger haben offenbar genug von der demokratischen Routine, die sich in den Jahrzehnten zuvor eingestellt hatte. Dem modernen Citoyen reicht es nicht mehr, alle paar Jahre in einer muffigen Grundschule ein Kreuz auf einen Wahlzettel zu malen. Der Bürger will mitentscheiden, mitmachen und mitmischen – oder zumindest mitschreien.
Auf Demonstrationen trifft man schon lange nicht mehr nur den schwarzen Block der Antifa, bekiffte Jugendliche und bezahlte DGB-Berufsdemonstranten, sondern immer öfter auch agile Unternehmensberater, CDU-Wähler im Lodenmantel und frisch toupierte Damen. Die Medien schwärmen vom «Protest der Mittelschicht» und einem «aktiven Bürger», der an freien Wochenenden nicht mehr zu einer Opernpremiere nach Bayreuth und nach Mallorca reist, sondern an einer Sitzblockade gegen den Stuttgarter Bahnhofsbau, die Hamburger Schulreform oder einen Castor-Transport im Wendland teilnimmt.
Die Samstagsdemo, das mussten die Demo-Novizen schnell lernen, ist ein asymmetrischer Konflikt und gefährlicher als eine Shoppingtour. Die Staatsgewalt, traditionell gekleidet in nachtschwarze Einschüchterungskluft, protzt mit Luftüberwachung und Hightech-Waffen. Um sich bei der Wahrnehmung seines Rechts auf Mitbestimmung und Action nicht unnötig in Gefahr zu bringen, sollte sich der moderne Wutbürger im Rahmen einer kleinen Waffenkunde mit polizeilichen Strategien und möglichen Abwehrmaßnahmen vertraut machen.
Pfefferspray: Polizei-Pfefferspray ist 1500-mal schärfer als Tabasco. Und schon dieses Würzmittel
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