Im Palast des Wuestenprinzen
dich sein, mit der neuen Situation zurechtzukommen.“
Morgan sah ihre Chance gekommen. Sie konnte versuchen, herauszufinden, ob Nobilah Verständnis für ihre Situation hatte, und beschloss, sich dem Thema behutsam zu nähern.
„Nobilah, irgendwie weiß ich nicht, wie ich mit der ganzen Sache …“
Die ältere Frau tätschelte ihr die Hand. „Es ist völlig normal, dass du nervös bist.“
„Aber ich bin als Ihre Gesellschafterin mit nach Jamalbad gekommen. Dass ich die Frau Ihres Sohnes werden sollte, habe ich nicht geahnt.“
„Jetzt bist du beides, meine Gesellschafterin und meine Schwiegertochter. Ich bin sehr glücklich, dass Tajik sich endlich entschlossen hat zu heiraten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, was es bedeutet, einen lieben Menschen zu verlieren. Er ist jedoch zu jung, um sich aufzugeben und nur in der Vergangenheit zu leben. Du bringst frischen Wind nach Jamalbad, ein deutliches Zeichen dafür, dass das Trauerjahr zu Ende ist.“
Morgan machte eine hilflose Geste. „Aber Tajik und ich kennen uns doch noch gar nicht richtig.“
Nobilah drückte ihr fest die Hand. „Ihr habt nach der Hochzeit noch Zeit genug, euch besser kennenzulernen. Glaub mir, man entdeckt immer neue Seiten an dem Partner.“ Ihre Stimme bekam einen wehmütigen Klang. „Meinen Mann Ashraf habe ich auf der Hochzeit zum ersten Mal gesehen“, fuhr sie fort.
Als Morgan sie entsetzt ansah, lachte sie leise auf. „Man hatte mir natürlich viel über ihn erzählt, wie mutig, attraktiv und stark er sei und dergleichen. Nachdem er ein Foto von mir gesehen hatte, kam er wohl zu dem Schluss, ich sei dir richtige Frau für ihn.“
„Sie haben ihn sicher sehr geliebt, oder?“
Die ältere Frau lächelte freudlos. „Die Liebe kam später. Zum Zeitpunkt der Hochzeit habe ich ihn einfach nur bewundert und konnte kaum glauben, dass so ein attraktiver Mann ausgerechnet mich heiraten wollte. Unsere Liebe ist im Laufe der Zeit gewachsen. Er war ein guter Mensch und ein guter Ehemann. Tajik ist ihm sehr ähnlich.“
Tajik soll ein guter Mensch sein, obwohl er mich unter falschen Voraussetzungen hierhergelockt hat, überlegte Morgan. Irgendwie passte das nicht zusammen. Er war hart und grausam, aufbrausend und unberechenbar. Aber er konnte auch sanft und zärtlich sein, so wie am Abend zuvor, als er sie behutsam in die Arme genommen und getröstet hatte. Und nicht zu vergessen, er hatte sich beherrscht und nicht mit ihr geschlafen, nachdem er gemerkt hatte, dass sie noch Jungfrau war.
Machte ihn das zu einem guten Menschen? Sie war so verwirrt und durcheinander wie noch nie in ihrem Leben und wusste nicht mehr, was sie denken sollte.
Sie versanken in Schweigen und hingen ihren Gedanken nach, während der Wagen eine Sanddüne nach der anderen bewältigte. Plötzlich entdeckte Morgan eine Herde Antilopen mit langem spießartigen Gehörn und auffallender schwarzer Zeichnung.
„Das sind Oryxantilopen“, erklärte Nobilah auf ihre Frage. „Um den Palast herum gibt es noch mehr davon.“
„Haben sie keine Angst vor Menschen?“
„Kaum. Sie gehören zu den geschützten Arten, weil ihre Zahl immer mehr abnahm. Tajik hat seinen Vater damals überzeugt, dass man sie nicht ausrotten lassen darf. In diesem Reservat hier können sie sich frei bewegen.“
Dafür war Tajik verantwortlich? Morgan war überrascht. Für einen Tierfreund hatte sie ihn nicht gehalten, aber sie hatten ja auch noch keine Gelegenheit gehabt, sich über neutrale Themen zu unterhalten.
Nach einer ihr endlos lange vorkommenden Fahrt veränderte sich die Landschaft. Die Sandwüste ging allmählich in eine Steinwüste mit spärlicher Vegetation über, die jedoch immer üppiger wurde, je näher sie der Oase kamen. In deren Mitte ragte der mehrstöckige Wüstenpalast empor, der mit wunderschönen Gipsornamenten verziert war. Die niedrigen Gebäude um ihn herum erinnerten an Beduinenzelte.
„Wer wohnt darin?“, fragte Morgan interessiert.
„Die meisten Häuser sind für Gäste bestimmt. So kann sich jeder in seinen eigenen Bereich zurückziehen. Auch Tajik hat hier sein eigenes Haus, wo er ungestört ist.“
Morgan runzelte die Stirn. „Wäre es aus Sicherheitsgründen nicht besser, er hätte eine private Suite im Palast?“
„Doch, die hat er auch, er benutzt sie jedoch nur, wenn die Lage im Land etwas kritisch ist. Glücklicherweise gab es schon lange keine Unruhen mehr, und das wird unter Tajiks Herrschaft bestimmt auch so bleiben. Ach, siehst du die
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