Im Palazzo sueßer Geheimnisse
Agraffe auf einem der beiden Leinwandporträts.“
„Als ich das Bild das erste Mal sah, nahm ich die Agraffe nicht bewusst wahr, doch mich erfasste eine unbestimmte Ahnung. Der Gedanke ließ mich nicht los und weckte den Wunsch in mir, noch einmal nachzusehen.“
„Und tatest du es?“
„Ja, und dabei erkannte ich es. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich Zeit zum Nachdenken brauchte. Aber in dieser Zeit passierte so viel, und es entfiel mir. Erst als mir klar wurde, dass dein Vater und meine Mutter sich gekannt haben mussten, dachte ich wieder daran.“ Nachdenklich fügte sie hinzu: „Kannst du dir erklären, warum dein Vater die andere Hälfte der Agraffe nicht deiner Mutter gab?“
„Weil es nicht gepasst hätte.“
Gerade wollte Lucy ihn fragen, was er damit meinte, als sie sich daran erinnerte, dass die Ehe seines Vaters arrangiert und unglücklich gewesen war, und biss sich auf die Zunge.
Gleichzeitig fragte Michele: „Hast du das letzte Tagebuch gelesen?“
Lucy schüttelte den Kopf. „Ich … das wollte ich mit dir zusammen machen.“
Er hob einladend den Arm, und Lucy schmiegte sich bereitwillig an ihn an.
Das letzte Tagebuch war auf Englisch. Gemeinsam schlugen sie es auf, blätterten die Seiten um und lasen, was Lucy Weston geschrieben hatte.
Klangen die Eintragungen der ersten Monate noch nüchtern, so änderte sich dies im September. Die Worte vermittelten eine neue und wachsende Aufregung.
So seltsam es klingt, aber nach all den Jahren habe ich das Gefühl heimzukommen. Nun endlich kann ich eingestehen, wie sehr ich die Sonne vermisste und die Wärme und die Farben Italiens …
Kann man eine zweite Chance für sein Glück bekommen? Ich wage es kaum zu glauben. Unsere war eine unerwartete Begegnung. Lorenzo und ich sahen uns an, und es war wie damals. Es war, als hätte es die Zeit dazwischen nie gegeben …
Er will, dass ich ihn heirate. Er ist so ungestüm wie ein Jüngling, und ich fühle mich wieder wie siebzehn …
Heute Abend hat Lorenzo mir den Ring des Dogen geschenkt und die Geschichte dieses verwunschenen alten Hauses erzählt. Er zeigte mir die Holzpaneele mit den Schnitzereien und Lucias Geheimversteck.
Es ist Zeit, nach England zurückzugehen, und Lucy und Maureen die Neuigkeit zu erzählen. Die beiden sind mir so wichtig. Hoffentlich kann ich ihnen begreiflich machen, wie viel mir das hier bedeutet …
Wir können uns beide nicht trennen, aber wir werden bald wieder zusammen sein und für immer … Es macht mir Sorge, einen so wertvollen Ring zu tragen. Ich bat Michele, ihn aufzubewahren, bis ich wieder da bin, doch er wollte nichts davon wissen …
Unsere letzte Nacht zusammen. Mit der Morgendämmerung werde ich abreisen. Ehe ich gehe, verberge ich den Ring an einem sicheren, angemessenen Ort. Ich bringe es nicht über mich, ihn mitzunehmen. Ich habe die seltsamste Vorahnung.
Der Rest der Seiten war leer.
Lucy schmiegte ihr Gesicht an Micheles Nacken, und sie saßen lange Zeit still, ohne ein Wort zu sagen. Irgendwann fand sie ihre Stimme wieder. „Was Mamma wohl mit einem angemessenen Ort meinte?“
„Keine Ahnung. Aber offenbar verbirgt sich die Antwort in dem alten Haus.“
„Wollen wir hinfahren?“, fragte Lucy atemlos.
„Jetzt?“
Sie nickte.
Michele lächelte über ihre Ungeduld, klammerte die Agraffe auseinander und hielt Lucy ihre Hälfte hin.
„Behalte du sie. Sie sollte zusammengesetzt bleiben.“
„Noch nicht, Lucy. Du kannst sie mir geben, wenn die Zeit reif ist.“
Es war spät, als sie an dem alten Haus ankamen und in stillschweigender Übereinkunft gleich ins Bett gingen. Ihre Gefühle waren intensiv, und er liebte sie mit einer Innigkeit, auf die sie mit einer stürmischen Leidenschaft antwortete, bis sie beide in der Flamme der Liebe brannten.
Später zog Michele sie an sich, aber Lucy konnte das Vergnügen, in seinen Armen zu liegen, gar nicht richtig genießen – so schnell schlief sie ein.
Sie schlief lang und traumlos und erwachte an einem warmen, sonnigen Tag. Der Platz neben ihr war leer, und sie empfand es wie einen unsäglichen Verlust. Aber dann ging die Tür auf, Michele kam mit einem Tablett herein, und alles war wieder gut.
Er bückte sich, um sie sanft, doch anhaltend zu küssen. „ Buon giorno, cara . Ich brauche nicht zu fragen, ob du gut geschlafen hast.“ Sie strahlte ihn nur vor Glück an. „Wollen wir frühstücken oder noch mal ins Bett?“
Das Funkeln in seinen Augen ließ keinen Zweifel, was er
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