Im Paradies deiner Kuesse
Stimme. Allegra atmete tief durch. Der Bann war gebrochen. Schnell drückte sie Finn die grüne Kokosnuss in die Hand und ging fort. Reflexartig, ohne zu verstehen, was gerade geschehen war, nahm er die Frucht.
Und dann begann die Welt, sich wieder zu drehen. Das Filmteam wurde aktiv und hielt fest, wie Finn den Rest der Kokosmilch in eine selbst gemachte Bambustasse goss. Als er dann die nächste Nuss aufhackte, machte Dave einige Nahaufnahmen. Allegra hielt sich bewusst im Hintergrund.
Habe ich gerade wirklich gesehen, was ich gesehen habe? Oder meldeten sich nur die Wunschträume der Meerjungfrau zurück?
Schließlich hatte Finn auch die zweite Kokosnuss geöffnet und mithilfe seines Messers zwei gebogene Löffel aus der harten Schale geschnitzt. Lächelnd hielt er ihr einen davon hin, und das Filmteam machte Platz, um sie durchzulassen.
Langsam und vorsichtig, als würde sie sich auf der Bühne und nicht am Strand einer tropischen Insel bewegen, ging sie auf ihn zu. Ebenso langsam und vorsichtig nahm sie den Löffel und hockte sich neben Finn auf den Boden, um ihm beim Schnitzen zuzusehen. Sie beide hielten den Blick starr auf die Kokosnuss gerichtet.
Doch als Allegra den Löffel zum ersten Mal in das weiche Fruchtfleisch stieß, trafen sich ihre Blicke – und wieder schienen sie sich in den Augen des anderen zu verlieren. Er hatte sehen wollen, wie ihr die junge Kokosnuss schmeckte. Ob sie ebenso begeistert von dieser milden Süße sein würde wie er. Aber jetzt dachte er nicht mehr daran.
Allegra schluckte, obwohl ihr Löffel leer geblieben war. Sie merkte es nicht einmal.
Nein, sie hatte sich nicht geirrt! Und sie sehnte sich nicht nach dem Unerreichbaren. Plötzlich hatte sich für sie eine Tür zum Glück geöffnet.
Aber würde sie dumm – oder mutig – genug sein hindurchzugehen?
9. KAPITEL
Allegra tat gar nichts. Zumindest sagte sie nichts. Das bedeutete wohl, dass sie noch immer ein Feigling war. Dass all das Schreien auf dem Berggipfel nichts gebracht hatte. Sie arbeitete und aß und schlief an Finns Seite – ohne ein Wort über die Lippen zu bringen!
Nur noch zwei Nächte … Langsam lief ihnen die Zeit davon.
Er hatte ihr die Aufgabe gegeben, etwas Essbares aufzutreiben. Nun, da sie in einiger Entfernung vom Lager war, wagte sie es, zurückzublicken. Finn stand in der Nähe der Hütte.
Seufzend wandte sie sich wieder zum Wasser um. Wie sollte sie denn hier etwas Essbares finden? Noch dazu ohne Hilfsmittel. Die Krebse, die blitzschnell zwischen den Felsen herumliefen, konnte sie nicht einfangen, geschweige denn zum Lager tragen, ohne einen Finger zu verlieren. Die große Muschel dort drüben war bestimmt leer. Aber Nachsehen schadete ja nicht. Vorsichtig platzierte Allegra den grünen Seetang, den sie bereits gesammelt hatte in der sanften Brandung, und hob die Muschel auf. Genau, wie sie gedacht hatte: Diese war leer. Nur eine schöne Hülle ohne Innenleben.
So wie ich … Tolle Erscheinung, aber nicht viel dahinter.
Was für ausgefeilte Pläne sie geschmiedet hatte! Längst schon wollte sie Finn gesagt haben, was sie für ihn empfand. Wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Kein Wort hatte sie herausgebracht. An die hundert Gespräche hatte sie in ihrer Fantasie durchgespielt. Von kokett und frech bis tiefgründig und emotional. Doch dann hatte sie jede Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.
Langsam schien sie wirklich so zu werden wie die Meerjungfrau im Märchen: stumm und unfähig, ihre Chance zu ergreifen.
Missmutig warf sie die Muschel ins Meer, fischte den Seetang aus der Brandung und machte sich auf den Weg zurück ins Lager, um Finn die Ausbeute ihrer Nahrungssuche zu zeigen.
„Super“, lobte er, ohne sie anzusehen. „Willst du mir bei der Zubereitung helfen?“
Sie nickte. Wieder arbeiteten sie schweigend nebeneinander, reichten sich Werkzeuge und wendeten abwechselnd den frisch gefangenen Fisch, der an einem Spieß über dem Feuer grillte.
Das kann ja eine tolle Fernsehsendung werden, dachte Allegra, als sie den Seetangsalat probierte. Das Filmteam wurde bereits nervös. Sie und Finn arbeiteten perfekt im Team, aber sie sprachen nur im Notfall miteinander.
Bloß gut, dass die Kameras und Mikrofone nicht empfindlich genug waren, um das Knistern zwischen dem Abenteurer und seinem Stargast einzufangen. Und doch war es da. Ständig. Sobald sie morgens die Augen öffneten, bis sie spät abends in einen unruhigen Schlaf sanken. Und vermutlich hielt es sogar
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