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Im Paradies der Suende

Im Paradies der Suende

Titel: Im Paradies der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Mullany
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ausreiten.“
    Di! Ja, so hieß das Mädchen, kicherte. „Heute Morgen haben wir unten im Dienstbotentrakt gewettet.“
    „Worauf?“
    „Wer am schlimmsten bepisst war.“
    Ach ja, bepisst , das bedeutete wohl betrunken . Das Englisch der Briten hatte nun mal seine ganz eigene Schönheit.
    „Ich habe auf Sie gesetzt. Aber Cathy - also Mrs Saunders - war auch ziemlich breit. Ich glaube, sie ist stinksauer, weil Mr Saunders sie ignoriert.“ Di reichte Lou einen Morgenmantel.
    „Also, ich denke, dieses Kleidungsstück ist historisch nicht korrekt“, gab Lou zu bedenken und schlüpfte hinein.
    „Sicher wollen Sie sich nicht erkälten, Ma‘am“, erwiderte Di diplomatisch. „Was möchten Sie anziehen?“
    „Keine Ahnung. Suchen Sie etwas aus.“ Lou, deren Blöße nun anständig bedeckt war, lehnte sich zurück in die Kissen. Während sie das Dienstmädchen beobachtete, malte sich aus, sie hätte zwei Jahrhunderte früher gelebt. Damals hätte sie sich unter keinen Umständen zwei Gentlemen - genau gesagt, einem Gentleman und einem Dienstboten - volltrunken präsentiert. Wäre es doch geschehen, hätte das einen Skandal ausgelöst. Auch die Scham, nackt zu erwachen und zu wissen, dass einer der Männer sie entkleidet hatte, wäre überwältigend gewesen. Wie gut, dass sie im 21. Jahrhundert lebte: Sie verspürte zwar leichte Kopfschmerzen, fühlte sich aber ansonsten angenehm entspannt.
    Sie beschloss, gleich aufzustehen und die primitive Dusche in ihrem Bad auszuprobieren. Dann würde sie einen Spaziergang im Garten machen und ein wenig frische Luft schnappen, so wie es von einer Lady erwartet wurde. Sie versicherte der Zofe, dass sie keine Hilfe beim Ankleiden benötigte. Die junge Frau knickste und verließ mit einem Korb voller Wäsche das Zimmer.
    Nur das gelegentliche Dröhnen eines Flugzeugs am Himmel erinnerte daran, dass Jane Austens Epoche Jahrhunderte zurück lag. Lou wusste, dass auch der Garten erst nach gründlicher Forschungsarbeit geplant und angelegt worden war. In den Blumenbeeten waren bereits die ersten Pflanzen zu entdecken. In der Ferne schimmerte ein Sommerhäuschen durch die Bäume. Weiter hinten waren einige Büsche so geschickt angeordnet, dass die Illusion einer von der Natur geschaffenen Wildnis entstand, genau, wie es seinerzeit Mode gewesen war. Der Garten, in dem Lady Catherine de Bourgh in Austens Roman „Stolz und Vorurteil“ Lizzy Bennet verhörte, hatte wahrscheinlich ganz ähnlich ausgesehen.
    Hinter Lou knirschte der Kies unter energischen Schritten.
    „Guten Morgen, Mr Darcy“, sagte sie ohne zu überlegen.
    Die Schritte beschleunigten sich, und kurz darauf ging er neben ihr. „Sie sind also nicht nur eine brillante Literaturwissenschaftlerin, Mrs Connolly, sondern auch eine Hellseherin?“
    „Weder noch. Wenn Sie wollen, können Sie mich Lou nennen.“
    „Nicht hier, das wäre nicht angebracht.“ Er roch nach Schweiß, Leder und Pferd, und er hielt eine Reitgerte in der Hand. Kurz überlegte sie, ob er jemanden damit auspeitschen wollte. „Hier und jetzt sind Sie Mrs Connolly.“
    „Ja, so ist es wohl. Wie war Ihr Morgenritt?“
    „Ich werde immer besser. Jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, ich müsste meinen Hintern nach dem Reiten stundenlang in warmem Wasser einweichen. Unsere Reitlehrerin hält mich für ein Naturtalent. Sie meint, ich hätte genau die richtigen Schenkel für diesen Sport.“ Er zwinkerte ihr zu. „Sicher reiten Sie sehr gut.“
    „Nicht allzu gut. Schon gar nicht im Damensattel.“
    Anscheinend gefiel es ihm, neben ihr den Weg entlang zu spazieren und dabei mit der Peitsche gegen seine Lederstiefel zu schlagen. „Geht‘s Ihnen gut?“
    „Viel besser, als es mir gehen dürfte. Danke für Ihre Hilfe. Tut mir leid, dass ich so eine Nervensäge war.“
    „Ganz im Gegenteil, es war mir ein Vergnügen.“
    „Tatsächlich?“
    „Verdammt, das haben Sie falsch verstanden. Ich meine - ich habe mich gefreut, dass ich Ihnen helfen konnte.“
    „Also ein wahrer Ritter in schimmernder Rüstung.“ Ehe ihr bewusst wurde, was sie tat, berührte sie seinen Arm. Es war erstaunlich: Obwohl sie beide vollständig bekleidet waren und nur ihr Handschuh seinen Ärmel streifte, schien ihr diese Geste bedeutsam.
    Mac lachte schallend. „Eher ein Ritter in glanzloser Rüstung. Wohin gehen wir?“
    „Ich möchte mir das Sommerhäuschen anschauen, die Jungs haben mir Fotos davon geschickt.“ Während sie sich dem kleinen Gebäude näherten, hörte sie

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