Im Paradies der Suende
Jane Austens Romanfiguren hätten es wie die Karnickel getrieben, Lou? Bitte lassen Sie uns doch an Ihrer wissenschaftlichen Meinung zu dem Thema teilhaben…“
„Zieh hier keine Show ab, Mac“, mahnte Vivian.
Lou bemerkte, wie fasziniert Cathy, die neben ihr saß, die Wölbung in Macs Hose anstarrte. „Hi, ich bin Lou“, sagte sie, um die Frau abzulenken. „Vor dem Dinner hatten wir gar keine Gelegenheit, uns zu unterhalten. Ich finde Ihr Kleid wundervoll.“
„Danke, Ihres ist auch sehr schön.“ Nach einer kurzen Pause fügte Cathy hinzu: „Wir - also, mein Mann Alan und ich - haben ein Preisausschreiben in der Zeitung gewonnen, deshalb sind wir hier. Das ist alles sehr eindrucksvoll, finden Sie nicht auch? Die vielen Leute, die uns bedienen! So etwas hatten wir nicht erwartet. Wir dachten, es wäre eher wie in einem Hotel.“
„Einiges muss natürlich noch renoviert werden“, antwortete Lou. „Wenn erst alle Badezimmer fertig sind, wird es noch viel luxuriöser sein.“
„Oh ja, unser Bad ist grauenhaft, die Dusche erinnert mich an die, die wir damals im College hatten. Und aus allen Wänden ragen Drähte. Wussten Sie, dass es im ganzen Haus nur ein einziges richtiges Bad gibt?“
„Gehen Sie doch ins Badehaus“, schlug Mac vor. „Dort können Sie Ihrem Mann den Rücken schrubben, Schätzchen. Oder Sie nehmen mich mit. Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen.“ Nachdem er die Lammkeule aufgeschnitten hatte, setzte er sich.
„Das wäre wohl kaum hygienisch“, antwortete Cathy etwas steif. „Dort badet man in dreckigem, nach Schwefel stinkendem Wasser, in dem vor einem schon unzählige andere waren…“
„Kommen Sie auch zu Weihnachten wieder hierher?“, fragte Lou, um das Thema zu wechseln. „Zur großen Eröffnung? Dann müsste alles perfekt sein. Sicher wird es Ihnen gefallen.“
„Oh nein.“ Cathy schaute zu ihrem Mann hinüber, der in ein Gespräch mit Peter vertieft war. „Alan würde sehr gern kommen, weil er sich so gut mit Peter und Chris versteht. Aber es ist zu teuer.“
Lou bemerkte, wie unsicher Cathys Stimme klang, und sah, dass Peter auf dem Tisch nach Alans Hand griff. Offenbar verstehen sich die beiden zu gut, dachte sie. Peters Verhalten überraschte sie. Von den beiden Partnern war er der solidere, verlässlichere. Einen Seitensprung hätte sie ihm niemals zugetraut. Chris dagegen flirtete mit Männern und Frauen gleichermaßen, war stets charmant und amüsant. Er konnte einfach nicht anders.
„Benutzen Sie doch das Bad im Pförtnerhaus, Cathy“, bot Vivian an, und ließ ihre Stimme wie ein verführerisches Schnurren klingen. „Darüber würde ich mich wirklich freuen.“
„Hände weg, Viv“, warnte Mac. „Sie ist eine verheiratete Frau, du Unruhestifterin.“
Cathy warf ihm einen kurzen, dankbaren Blick zu. Dann entdeckte sie eine Schüssel, die eine helle, mit Brunnenkresse garnierte Creme enthielt. „Was ist das? Eiscreme?“
„Vielleicht…“ Lou nahm etwas von dem Gericht, das süßlich schmeckte. Auf der Zunge fühlte sie sich ein bisschen körnig an. „Ja. Sehr lecker. Pistazien, glaube ich, mit etwas Zitrone. Damals wurde bei jedem Gang Süßes mit Pikantem gemischt. Probieren Sie‘s doch.“
Cathy tauchte ihren Löffel in die Creme, kostete sie vorsichtig - und nahm sich sofort noch mehr. „Oh, mein Gott, das ist ja köstlich!“
Ihr Gesicht, das Lou zu scharfkantig und spitz erschienen war, um hübsch zu wirken, nahm plötzlich ganz weiche, genießerische Züge an. Träumerisch leckte sie mit ihrer Zungenspitze den Löffel ab. Auf der anderen Seite des Tisches verstummte Mac, beobachtete sie, und Lou fragte sich, was in dieser engen Seidenhose wohl gerade vorgehen mochte.
Sogar Rob, der beim Sideboard stand, vergaß seine Lakaienrolle und starrte Cathy mit unverhohlenem Interesse an.
Schließlich brach Chris den Bann. Er lächelte verschwörerisch und griff nach der kleinen Silberglocke, die neben seinem Teller lag. „Mein lieber Rob“, flötete er, „den zweiten Gang, bitte.“
4. KAPITEL
Peter
Er balancierte seinen Laptop auf den Knien und ging noch einmal das Programm für den nächsten Tag durch. Das Bedürfnis, den Computer abzuschalten und einzuschlafen, war überwältigend. Aber er wusste, was passieren würde, wenn er dieses allabendliche Ritual vernachlässigte: Furchtbare Albträume, in denen ihn unerledigte Pflichten, häusliche Katastrophen und geplatzte Termine verfolgten, würden ihn um den Schlaf bringen.
Das
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