Im Paradies der Suende
sagen. Doch das verkniff er sich, denn ihre Augen strahlten, als hätte sie soeben den Heiligen Gral gefunden. Vorsichtig berührte sie das Zeug mit ihren Fingerspitzen. Zu Macs Verblüffung regte sich sein Schwanz, der inzwischen etwas erschlafft war, von neuem.
„Schau doch!“, flüsterte sie.
Er sah Haare oder Stroh, ein Stück Stoff, etwas Schwarzes, Zerknittertes, das er nicht identifizieren konnte, und ein beschriebenes Stück Papier.
„Was ist dieses schwarze Ding?“
„Möglicherweise ein Teil von einer vertrockneten Frucht, eventuell eine Orangenschale. Auf jeden Fall etwas Organisches, vielleicht auch Leder. Schau doch, Mac!“
„Ich schau ja ihn“, sagte er. Aber er verstand nicht, warum sie die Sachen so aufregend fand. Offenbar war das so ähnlich wie mit den gemauerten Torbögen - er hatte einfach keinen Sinn dafür.
Hingerissen inspizierte Lou ihre Beute. „Auf dem Tisch zu deiner Linken liegen weiße Baumwollhandschuhe. Und gib mir auch einen von diesen Plastikbeuteln.“
Er reichte ihr alles, was sie verlangte, und sie zog die Handschuhe an. Mit einem Finger schob sie das Haar - oder was immer es sein mochte - zu Seite, um das Papier freizulegen.
„Siehst du, was das ist, Mac?“
Als er den Zettel berühren wollte, schrie sie entsetzt auf.
„Nicht! Zieh Handschuhe an!“
Er gehorchte - sicher das Beste, was er unter diesen Umständen tun konnte. Lou stand auf, hob das Taschentuch mitsamt seinem ekligen Inhalt behutsam hoch und legte es auf den Tisch. Dann zupfte sie die Goldkette heraus, legte sie um ihren Hals und machte den Verschluss zu.
„Schau doch!“, flüsterte sie ehrfürchtig und begann zu weinen. Nicht vor Kummer, so wie sie es getan hatte, als sie glaubte, den Rubin verloren zu haben. Diesmal vergoss sie Freudentränen. „Erkennst du die Schrift nicht?“
Er kniff die Augen zusammen, um die wenigen Worte zu entziffern. Schwarze Tinte, kaum verblasst - wahrscheinlich, weil das Papier so lange im Dunkeln gelegen hatte. Die Schrift erschien ihm irgendwie vertraut.
„Da ist eine Unterschrift“, sagte Lou, „Initialen. Ihre Initialen.“
„Jane Austen?“, fragte er. „Machst du Witze?“
„Nein. Genau so hat sie ihre Briefe unterzeichnet.“
Es entstand ein längeres Schweigen, das er beendete, indem er die Zeilen vorzulesen versuchte. „‚Die Leidenschaft, die ich für Dich empfinde…‘ Zumindest glaube ich, das heißt Dich , denn ich erkenne ein D. Und ‚… Unbeständigkeit, die Du beweist…‘ Starke Worte.“
„Ja, das muss es heißen. Vielleicht die Unbeständigkeit? Davor sehe ich ein E. Ein Graphologe kann das sicher feststellen. Natürlich hängt der ganze Satz von der Größe des Blatts ab, das sie benutzt hat - und von so vielen anderen Dingen.“ Lou berührte den Papierfetzen, der ein senfgelbes und blaues Muster auf hellbraunem Grund hatte. „Schätzungsweise indischer Blockdruck. Das müsste ein Experte datieren. Sieh doch, wie frisch die Farben wirken, Mac! Einfach überwältigend, ein so wichtiges Zeitdokument in den Händen zu halten. Das könnte alles ändern, was wir über Jane Austen wissen!“
Mac ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken. „Gibst du mir ein Exklusivinterview, Lou?“
„Was? O ja, natürlich. Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen - du bist ja ein Journalist. Die Auswertung dieser Fundstücke wird Jahre dauern. Papier, Tinte, handschriftliche Analysen, DNA-Tests…“
„DNA?“, wiederholte er. Nun sah er, dass das Zeug, das er für Stroh gehalten hatte, mit einem dunklen Band umwunden war.
„Die Farbe dieses Bandes hat sich im Laufe der Zeit verändert. Oder irgendetwas hat die chemische Struktur des Haars beeinflusst. Das müssen nämlich menschliche Haare sein, da bin ich mir ganz sicher. Janes Haare. Oder sie wollte ihrem treulosen Liebhaber seine Locke zurückschicken.“ Lou schüttelte den Kopf. „Okay, denken wir nach, Mac. Von diesem Fund dürfen wir niemandem erzählen. Vorläufig nicht einmal Peter und Chris. Ich muss meine Dissertationsberaterin anrufen. Sicher weiß sie am besten, was zu tun ist. Aber jetzt müssen wir die Sachen erst einmal einpacken.“
Sie steckte alles in den Plastikbeutel. Dann seufzte sie ärgerlich.
„Hier gibt es nicht einmal ein gesondertes Tablett für Stücke, die unter den Bodenbrettern gefunden wurden.“ Lou zog die Handschuhe aus und nahm ein säurefreies Blatt Papier. „Nun werden wir abmessen, wie weit der Fundort von der Südostecke des Raums
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