Im Pfahlbau
daß sie ihm zur Not als Schlafstelle dienen konnte, nahm er sein unstetes Jäger- und Fischerleben wieder auf, ihn lechzte nach frischer Nahrung. Nie kehrte er von seinen Ausfahrten heim, ohne Reiser, Schilf oder Lehm für die Hüttenböden mitzubringen. Eva war wieder oft allein, hatte aber so viel zu tun, daß sie die Einsamkeit kaum merkte. Sie machte aus Weidenstäben,Waldreben und Lehm Wände für ihre Stube; eine, sie war Peters Hütte zugekehrt, bekam eine breite Öffnung für eine geflochtene Tür, deren Angelpfosten sich in Weidenringen drehen sollten.
In den anderen Wänden ließ sie nur je ein viereckiges Gucklock frei – nicht viel größer als ihr Gesicht – und verschloß es mit einer gespannten Tierblase. Der Fußboden wurde mit einer dicken Breischicht aus Lehm und Gras belegt; auf die geflochtene Falltür, die das Abfall-Loch deckte, kam ein Fell, das die vom Wasser aufsteigende Kühle abhalten sollte. Die Feuerstelle wurde mit Steinplatten und Lehm bepflastert und mit einem Erdwall umgeben. Ein neuer Kehrbesen aus Birkenreisig, Trinkhörner und anderes Gerät bildeten die Ausstattung des Raumes. Auf die Enden der Querhölzer band Eva Stangenholz und baute so einen Gang, der um die ganze Pfahlhütte führte und vom vorspringenden Dachrand gedeckt wurde. Auf der Klammseite stapelte sie das Brennholz auf und hatte so einen haltbaren Windschutz. Als Gegenleistung für das Herbeischaffen von Nahrung und Baustoff verlangte Peter, daß Eva ihm seine Hütte fertigmache; dazu baute er auf zurechtgebrannten Pfählen zwischen beiden Hütten einen Steg, der später zum Werkplatz erweitert werden sollte.
Solange die Arbeit drängte, merkte Eva nicht, daß sie immer weniger Appetit verspürte. Alles schmeckte so fade. Das wenige aus den Höhlen gerettete Salz war von Peter beim Räuchern der Forellen verbraucht und noch nicht ersetzt worden; Eva hatte in den letzten Tagen fast ausschließlich von Kastanien gelebt. Aber der Vorrat ging zu Ende, viele Früchte waren verschimmelt. Sie mußte sich nach Ersatz umsehen, und sollten es Grassamen sein. Wie lange war's doch noch bis zur Herbsternte! Brei mußte sie kochen, den Muldenstein wiederhaben, aber der steckte unter dem eingeschwemmten Lehm in Peters frühererWohnhöhle! Da sein Floß tagsüber meist im Moorbach festlag, baute Eva aus Holz- und Schilfresten ein kleines, plumpes, tiefgehendes Floß, flocht dazu ein mehr als zwei Handflächen breites Ruder und fuhr zur Triftleiten hinüber. Hier entdeckte sie unter mancherlei Gräsern auch Schwadengras, das sie von der Ahnl her kannte; leider trugen erst die untersten Rispen Samen. Die Ahnl hatte die Rispen in ein gestieltes Sieb gestreift; Eva hatte kein Sieb und mußte die erst halbreifen Körner mit den Händen einsammeln. Wenn sie Brei kochen wollte, brauchte sie unbedingt den Muldenstein aus der verlassenen Höhle! Peter, den es auch nach Brei gelüstete, holte ihn endlich. Als die Schwadenernte ergiebiger wurde, stellte Eva aus einer gebogenen Rute und einem Lappen aus Rehleder einen Beutel her, mit dem sie die Grassamen abstreifte.
Diese wurden geröstet und im Muldenstein zu einem groben, mit Spreu durchsetzten Schrotmehl zerrieben. Zwar reichte das so erhaltene Schrot nicht aus, gab aber dem mitgekochten Wildgemüse die breiige Bindung. Die Pfahlsiedler hatten wieder ihre mehligen Kräutersuppen.Eva, die sich wieder einmal nicht wohl fühlte, bat Peter, sie nach den alten Höhlen zu führen; sie wollte dort um Genesung beten. Da er Salz brauchte, entschloß er sich zu einem Gang nach der Salzkammer im Berge. »Wenn du willst, dann komm mit!« schlug er vor.
Schon am nächsten Morgen machten sich die beiden auf den Weg. Damit sie das schwere Floß nicht aus dem Moorsee in den Klammbachsee hinüberzuschaffen brauchten, band Peter aus vier trockenen Stämmen seines Holzvorrates ein neues Floß, das als ständiges Fahrzeug für das Außenwasser in der Triftbucht ankern sollte, während das erste Floß im Innenwasser blieb. Er fuhr mit Eva zum Sonnstein hinüber, ließ sie in den Wohnhöhlen warten und ging allein in das Berginnere, um eine Rehhaut voll Salz zu holen.
Eva kniete vor dem Sonnenbild und den Ahnengestalten und gelobte, für ihre Genesung die Goldkörner zu opfern, die sie aus der Asche ihrer Brandstätte hervorholen wollte. Ihr Vertrauen auf die Wirkung des Gelübdes war so groß, daß sie sich auf dem Heimweg schon kräftig genug fühlte, Peter zu helfen, der außer dem Salz den
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