Im Rachen des Alligators
nennt man den Gegenstand, mit dem man Suppe isst? Die verzweifelte Suche nach dem Wort versetzte ihn in Panik. Er meinte, Russisch zu sprechen, doch es war Englisch. Er bat eine französische Bedienung um etwas, womit er seinen Löffel essen könne, sagte es aber auf Englisch. Seine Suppe meine er natürlich, erklärte er dann, nun auf Russisch.
In Bosnien hatte er mit einer Zahnarztwitwe geschlafen und die Instrumente ihres Mannes in einem Tornister mitgenommen, und er hatte sich so lange als Mann vom Fach ausgegeben, dass es hier und da sogar schon schriftliche Belege dafür gab und er einige europäische Grenzen überqueren konnte, die er nicht hätte überqueren dürfen, wenn bekannt gewesen wäre, dass er ein Outlaw war. Zum Schluss konnte er mit dem korrekten Instrument einen faulen Zahn entfernen, ohne mehr als die unvermeidlichen Schmerzen zu verursachen.
Outlaw war ein englisches Wort, mit dem er sich identifizieren konnte. Er mochte den Klang, die Kinofilm-Anonymität dieser Bezeichnung, ihre markige Aufrichtigkeit.
Er hatte ein in den dreißiger Jahren erschienenes Buch mit dem Titel Der erfolgreiche Geschäftsführer gelesen und darin alles wiedergefunden, was er selbst schon als richtig erkannt hatte. Stell deine Fragen später. Stell keine Fragen. Es gab auch eine philosophische Strömung, die Reflektion empfahl, aber die Jungs waren alle tot. Er konnte Leute überreden oder auch nötigen, er besaß beide Fähigkeiten. Ihm war eine Art periodische Genialität zu eigen, die mal da war und mal nicht, wie eine schlechte Telefonverbindung. Pläne kamen ihm voll ausgeformt und ohne Schwachstellen in den Sinn.
So hatte er zum Beispiel beschlossen, das Haus in der Morris Avenue mit Benzin zu übergießen. Er würde im Laufe von zwei Wochen mit dem Pick-up zu sämtlichen Tankstellen in St. John’s fahren und dort jeweils drei Fünf-Gallonen-Kanister füllen.
Die Idee, das Haus abzufackeln, war ihm gekommen, als Isobel Turner ihre Post aufmachte. Sie hatte einen Brief von ihrer Versicherungsgesellschaft bekommen, las ihn im Stehen, während sie den Brotkasten öffnete, und dann erstarrte sie einen Moment lang in ihrer Bewegung, wie gebannt durch das, was sie da las.
Sie legte den Brief auf die Küchentheke, nahm das Brot heraus. Sagte, die Versicherungsbeiträge hätten sich verdoppelt, seit sie das Haus gekauft habe. Zum Toaster sagte sie das. Sie griff wieder nach dem Brief, und aus dem Toaster begann es zu qualmen. Doch sie tat nichts.
Der Feuermelder fing an zu gellen, ein neues Modell, bei dem eine Frauenstimme zwischen den schrillen Alarmsignalen wiederholte: Sie hören eine automatische Ansage. Dies ist ein echter Feueralarm. Dies ist ein echter Feueralarm.
Isobel schlug mit dem Geschirrtuch nach dem Feuermelder, stieg auf einen Stuhl und nahm die Batterien heraus. Der Toaster gab eine Art schrilles Summen von sich, und sie nahm eine Gabel aus der Schublade, stocherte nach dem verkohlten Brot und warf es, noch qualmend, in den Mülleimer unter dem Spülbecken.
Sie hatte das Haus vor fünfzehn Jahren gekauft und es mit den Möbeln ihrer Großmutter bestückt. Der gesamte Inhalt des Hauses, das ihre Großmutter in Old Perlican bewohnt hatte, war ihr testamentarisch vermacht worden. Isobel hatte ihr Haus damals an eine Familie vermietet, bis sie aus Toronto zurückgekommen war. Der Mann arbeitete für die örtliche Telefongesellschaft, und seine Frau hielt das Haus blitzsauber, als wäre es ihr eigenes.
Valentin hatte Isobel nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht im Dezember Blumen geschickt. Er hatte sich von seiner sanften Seite gezeigt, und es war ihm gelungen, ihr den ganzen Abend über mit Respekt zu begegnen. Sie war eine Frau, die Sex genoss, die in ein regelrechtes Hochgefühl geraten konnte. Es war nichts Egoistisches an ihrer Art zu lieben. Ihre Orgasmen erlebte Valentin als ein Sich-Loslassen, die sanften Kontraktionen ließen ihn am ganzen Körper erbeben. Er kam zu dem Schluss, dass Isobel Turner einmal clever gewesen war, aber etwas Entscheidendes verloren hatte. Sie war nicht mehr clever.
In diesem Winter war sie mit Dreharbeiten beschäftigt, und nachdem sie sich geliebt hatten, zündete sie ein Feuer im Kamin an und ging ihren Text durch. Er beobachtete, wie ihre Lippen sich bewegten, während sie stumm ihre Rolle lernte. Er hätte genausogut nicht da sein können.
Er sah eine eklatante Schwäche bei ihr, eine große Verletzlichkeit, die er würde ausnützen können. Er hatte schon
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