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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
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Vogel wichtig war. Und David, der offenbar in einen Abgrund geblickt hatte, den verführerischen, aufgewühlten Atlantik, überzeugt, dass es schön sein könnte, einfach aufzugeben: David war auch wichtig.
    Während sie an die Haustür ging, zappelte der Vogel in ihren gewölbten Händen, und als sie die Hände öffnete, flog er geradewegs in den Himmel.
    Er flog mit solch überraschender Zielstrebigkeit, dass Beverly sich fragte, ob sie womöglich von dem wie auch immer gearteten Unheil, das ihnen gedroht hatte, verschont bleiben würden.
    Hier sind alle nackt, rief David. Beverly hörte in nächster Nähe seines Handys eine Frau deutsch sprechen.
    Du lallst ja richtig, sagte sie.
    Die tragen alle Lederkapuzen, sagte er. Ich wünschte, du wärst hier.
    Wo bist du?, fragte sie.
    Hier gibt es Käfige mit Frauen, die nur Go-Go-Stiefel anhaben und sonst gar nichts.
    Bist du mit Freunden da?, fragte sie und neigte den Wecker ein wenig zu sich, damit sie die Uhrzeit erkennen konnte. Sie würde jetzt bis zum Morgengrauen wach liegen.
    Am nächsten Tag rief David aus Toronto an und sagte, dass sein Flug Verspätung habe und er sich nichts sehnlicher wünsche, als zu Hause zu sein.
    Ich hab vielleicht einen Schädel, sagte er, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Er sagte, er würde alles dafür geben, in ihren Armen zu liegen. Er dankte ihr für ihrer beider Ehe, das Beste, was ihm je passiert sei. Er sei den Tränen nahe, weil er solch einen Kater habe und Jetlag noch dazu, und weil sie seine Frau sei und er sie liebe und es ein unglaubliches Glück sei, dass er sie habe. Diese Dinge könne man gar nicht oft genug sagen, aber soviel er auch rede, es könne nie seine wirklichen Gefühle ausdrücken.
    Ich habe begriffen, sagte er, was für ein Glück es ist, dass ich dich habe. Er sagte, er habe irgendeine Pille geschluckt, eine Frau habe sie ihm in den Drink getan. Ich fühle mich richtig ausgehöhlt, sagte er.
    Eine Frau hat dir was in den Drink getan?, fragte sie.
    Ich glaube jedenfalls, dass es eine Frau war, sagte er. Beverly hatte einen Nachbarjungen zum Rasenmähen angeheuert. Es würde das letzte Mal in dieser Saison sein. Die Bäume waren schon kahl und die Früchte des Hartriegels entlang der Bürgersteige leuchteten feuerrot. Die Luft hatte etwas Schneidendes. Der Junge trug eine rote Daunenjacke. Sie sah zu, wie er das Verlängerungskabel ausrollte und sich über den Rasenmäher beugte.
    Es ging darum, das, was man tat, mit Haut und Haar zu tun. Sich seiner Aufgabe voll und ganz zu widmen, sie wichtig zu nehmen. Sie würde ihre Tochter auf die gleiche Weise großziehen, wie dieser Junge den Rasen mähte. Und sie würde ihren Mann auf die gleiche Weise lieben, selbst wenn er ihr untreu geworden war, einen Moment lang den Glauben verloren hatte. Sie hatte den Rasen vor dem ersten Schnee mähen lassen wollen.
    Sie war praktisch nackt, Beverly, und sehr muskulös, sagte David. Sie habe ihm die Pille ins Bier getan, und er habe das Glas geleert.
    Zu muskulös, wenn du mich recht verstehst, sagte er. Im Hintergrund hörte Beverly Flughafendurchsagen, das Rattern von Rollkoffern, die über Fliesen gezogen wurden. Die Klinge des Rasenmähers traf auf einen Stein, ein helles, scharfes Geräusch. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn verstehen sollte.
    Zu muskulös für eine Frau, sagte David nach einer langen Pause.
    Du hast mich ganz schön erschreckt, sagte Beverly. Sie schloss die Augen und sah ihn von dem Kliff in Irland stürzen.
    In Toronto ist schon Winter, sagte David.
    Vielleicht solltest du mal was Anständiges essen, sagte Beverly.
    Alles ist weiß.
    Kauf dir einen Saft, sagte sie.
    Ich schaue gerade aus einem riesigen Fenster.
    Mir stellen sich da schon so gewisse Fragen, David.
    Diese Typen auf der Rollbahn. Wunderbar. In diesen Overalls. Einsam und allein schwenken sie da draußen ihre Stäbe. Unbesungene Helden.
    Das beantwortet meine Fragen nicht.
    Ich muss mir etwas zu trinken besorgen, ich bin am Verdursten, sagte er. Was immer in seinem Bier gewesen sein mochte, es hatte ihn verändert, und er konnte es gar nicht erwarten, wieder bei ihr zu sein und sie festzuhalten, denn er hatte begriffen, dass sein Leben ohne sie nichts wert war.
    Sie rührte in ihren Linguine, und der Dampf schlug sich auf der Fensterscheibe nieder und trübte die Sicht in den Garten, der Junge verschwand mit dem Rasenmäher hinter einem Streifen Kondenswasser, erschien wieder, und das Rot seiner Jacke wirkte noch leuchtender als

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