Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore

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wird. Sie ist so kalt, wie etwas nur kalt sein kann. Denn wie kann Materie vor Sonnenlicht schier bersten, derart durchfunkelt sein, mit solcher Blutgier sich krümmen und die Seele lähmen? Eine Welle ist ein Knochen mit Mark aus Licht.
    Isobel steht bis zur Taille im Wasser und watet hinaus, und die Welle trifft sie mit voller Wucht, direkt ins Gesicht, in Nase und Ohren, in Mund und Hals und durch die Nase wieder hinaus.
    Valentin steht hinter ihr am Strand, zu schick angezogen. Selbst tief unter Wasser spürt sie seinen Blick auf sich, ihr rotes Kleid bläht sich und schmiegt sich an, bläht sich und schmiegt sich an, mit jedem Schwimmzug, den sie macht. Sie ist eine Qualle, die dem Horizont entgegenstrebt. Sie weiß, dass sie vorerst in Sicherheit ist; er wird es nicht riskieren, dass seine Lederschuhe nass werden.

Madeleine
    Sie war schweißüberströmt aufgewacht; Erzbischof Fleming in der Zimmerecke, der Geist von Erzbischof Fleming.
    Er erschien ihr öfter im Traum, seit sie mit dem Sommerdreh begonnen hatte. Fleming hatte einen silbernen Kelch für die Eucharistiefeier in jeder Kirche an der Südküste gefordert. Erzbischof Fleming, der über den Rücken von vier weißen Hengsten die Peitsche knallen lässt, sie brechen aus einem Schneesturm hervor wie der Zorn Gottes.
    Sie hatte die Figur – Fleming – an einem stürmischen Nachmittag ein paar Jahre zuvor erfunden, als sie in Briefen las, die er an den Papst geschrieben hatte. Damals trat sie aus dem Römisch-Katholischen Archiv auf die Straße, und die Welt hatte sich verwandelt, lag unter einer Decke frischgefallenen Schnees. Wenn sie jetzt nachmittags einschläft, steht der Erzbischof in der Zimmerecke, mit seiner weißen Robe, dem scharlachroten Umhang und seinem Stab.
    Der Premierminister hatte gesagt, man könne die Pferde mit dem Helikopter an Land bringen. Wegen des Eises kamen sie nicht an die Pferde heran. Es gebe da eine bestimmte Art von Schlinge, die man verwenden könne, es sei zwar teuer und gefährlich, aber man habe das in Kentucky auch schon mit Rennpferden gemacht.
    Man werde den Pferden natürlich die Augen verbinden, und sie würden ganz vorsichtig aus den Wolken herabgesenkt. Sie hatte ein paar Anrufe getätigt. Unmöglich, hatte man ihr gesagt. So etwas sei noch nie gemacht worden, weder in Kentucky noch sonstwo. Man werde die Pferde nicht mit dem Helikopter einfliegen, ob sie verrückt sei? Die Pferde würden sterben vor Angst.

Frank
    Er hatte Valentin gesagt, dass er ihm 1000 Dollar geben werde. Sie waren sich auf der Treppe begegnet, und der Russe hatte von den Zigaretten erzählt, die er billig kaufen und zum doppelten Preis wieder verkaufen wollte.
    Frank solle ihm einen Riesen leihen, er werde ihn am nächsten Tag wieder zurückbekommen, und noch ein bisschen was dazu für den Aufwand. Valentin sagte das alles ganz beiläufig, ohne in irgendeiner Weise auf die Verwüstung von Franks Wohnung oder die Entweihung der Asche seiner Mutter einzugehen. Er schien ganz ehrlich um dieses Darlehen zu bitten, so wie sich jemand anders ein Ei ausleihen würde.
    Wir sind doch Nachbarn, sagte Valentin. Als Frank einwilligte, nahm Valentin seine Hand, schüttelte sie energisch und erklärte, so wie er das sehe, würden sie von jetzt an wunderbare Nachbarn sein.
    Wir sollten Freunde sein, sagte der Russe. Ich mag Sie, denn Sie sind ein Geschäftsmann. Sie sind wie ich. Wir müssen doch eins klar sehen: Es gibt ein System, aber das System hat ein bisschen Spiel, wie eine Hängebrücke. Leute wie wir müssen dieses Spiel ausnutzen, verstehen Sie, was ich meine? Frank bejahte das.
    Mit Geduld und Hartnäckigkeit, sagte Valentin. Er klopfte Frank auf die Schulter.
    Aber jetzt war Franks ganzes Geld weg, und er hörte, wie oben die Russen aufstanden. Er hörte die Toilettenspülung, hörte etwas kochen, die Tür zur Feuerleiter knallte gegen die Wand, und sie unterhielten sich auf Russisch. Bald würde Valentin herunterkommen und nach dem Geld fragen.
    Sie kam aus einem wohlhabenden Elternhaus, wo es ihr garantiert nie an etwas gemangelt hatte. Sie war noch nie auf dem Sozialamt gewesen. Sie hatte noch nie ihr Frühstück in einer braunen Papiertüte vom Schulspeisungsprogramm bekommen. Sie war noch nie aus der Wohnung geworfen worden, weil ihre Mutter drei Monate mit der Miete im Rückstand war. Sie hatte nie Fertiggerichte zum Abendessen vorgesetzt bekommen, außer wenn sie es selbst wollte. Sie hatte nie eine von dreihundert Windjacken