Im Rausch der Ballnacht
noch einmal nach. Das Schlimmste war, dass er nicht hatte aufhören können – es nicht einmal gewollt hatte. Selbst im Licht des neuen Tages war er nicht bereit, von seiner Position abzurücken. Stattdessen erwog er, eher nach Dublin aufzubrechen, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.
“Es ist Mittag”, bemerkte Rex. “Darf ich dir Gesellschaft leisten?”
Tyrell schenkte ein weiteres Glas voll und reichte es Rex, ohne etwas zu erwidern. Wenn er sich nicht besser beherrschen konnte, dann war er nicht mehr als eine Puppe, bei der sie die Fäden zog.
Und was war mit seiner bevorstehenden Heirat? Es war nicht zu übersehen, dass er die Beziehung zu seiner Braut und ihrem Vater aufs Spiel setzte.
“Auf die Harringtons”, murmelte Rex und unterbrach damit seine Überlegungen. “Auf die schöne Lady Blanche.”
Tyrell hob das Glas, um ihm zuzuprosten, und nahm noch einen Schluck. Rex nippte an seinem eigenen Drink, musterte dabei seinen Bruder und meinte schließlich: “Es ist in jeder Beziehung eine vorteilhafte Verbindung. Ich bin sicher, dass dir das bewusst ist.”
“Ja, das ist es. Ich bin außer mir vor Freude.” Als er das sagte, merkte er, wie gelangweilt es klang.
Auch Rex entging das nicht. “Tatsächlich? Du wirkst keineswegs erfreut. Du wirkst ziemlich verwirrt.”
Tyrell sah ihn an. “Ich bin nicht verwirrt.” Er brachte ein Lächeln zustande.
Nachdenklich trank Rex einen Schluck. “Gib dir keine Mühe, Tyrell. Ich kenne dich ein Leben lang, und ich weiß, wann etwas nicht in Ordnung ist. Schließlich warst du bisher selten schlecht gelaunt. Vor ein paar Tagen hat sich das geändert.”
“Versuch nicht, diplomatisch zu sein. Los, sprich es aus. Mein Benehmen ist inakzeptabel. Meine Mätresse schläft unter demselben Dach wie meine Verlobte.”
“Offensichtlich muss ich gar nichts sagen, denn du weißt genau, was du tust.”
Tyrell fluchte.
“Du solltest vorsichtiger sein”, sagte Rex plötzlich und fügte hinzu: “Tu wenigstens so, als wärst du glücklich mit deiner Verlobten.”
“Ich bin glücklich”, erwiderte er undwusste zugleich, dass es nur leere Worte waren.
“Könntest du dann vielleicht ihre Hand halten und sie anlächeln, wenigstens ab und zu?”
Tyrell warf ihm einen finsteren Blick zu. “Ich gebe zu, dass ich gestern Abend beschäftigt war.”
“Du hast Harrington sehr verärgert. Ich hörte, wie Vater deine Unaufmerksamkeit zu entschuldigen versuchte. Selbst unsere jüngere Schwester Eleanor erkundigte sich, ob du krank bist. Du warst sehr schlechter Laune, und das sieht dir gar nicht ähnlich.”
“Ich hatte andere Dinge im Kopf”, sagte Tyrell.
“Und welche anderen Dinge könnten wichtiger sein, als deine Zukunft und die deiner Erben zu sichern? Und meine Zukunft, Cliffs und Eleanors?”
Rex hatte recht. Nichts war wichtiger als diese Heirat, und es war an der Zeit für ihn, anzufangen, sich entsprechend zu verhalten. Aber er war noch nicht bereit, Elizabeth Fitzgerald aufzugeben.
“Sie ist anders, als ich es erwartet hatte”, sagte Rex in sehr ernstem Ton.
Tyrell begriff sofort, dass Rex nicht von Blanche sprach. Langsam hob er den Kopf und sah seinen Bruder an. “Sie ist auch nicht so, wie ich es erwartet hatte”, hörte er sich sagen. Und plötzlich erinnerte er sich an den Tag vor beinah zwei Jahren, als er sie davor bewahrt hatte, von einer Kutsche überrollt zu werden. Als er vorsprang, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen, hatte er rein instinktiv reagiert, und dann hatte er mit der schönsten und begehrenswertesten Frau in seinen Armen, die er je getroffen hatte, dort im Morast gekniet. Hätte ihn ein Pferd getreten, er hätte nicht verwirrter sein können.
“Warum lächelst du? Ich meine deine Mätresse, Miss Fitzgerald.”
Langsam kehrten seine Gedanken nach Adare zurück, und mit zitternden Fingern stellte Tyrell sein Glas ab. Genauso langsam sagte er: “Es ist unwahrscheinlich, dass ich unter meines Vaters Dach eine Affäre habe, solange meine Verlobte mit ihrer Familie hier weilt.”
Rex lächelte spöttisch. “Es war klug, Zurückhaltung zu üben. Aber versuch nicht, mir etwas vorzumachen. Wenn sie jetzt noch nicht deine Mätresse ist, so hast du zumindest die Absicht, sie dazu zu machen.”
Tyrell seufzte. “Willst du mir jetzt auch noch einen Vortrag darüber halten, welche Konsequenzen eine Affäre hätte?”
“Nein, das werde ich nicht tun, denn ich weiß, dass du mir nicht zuhören wirst, außerdem bist du
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