Im Rausch der Dunkelheit - Guardians of Eternity 5
wieder in den Korridor und hielt inne, um Regan einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.
»Falls Ihr Euch entscheiden solltet, ein Auto zu nehmen, so nehmt einen Jeep. Zumindest besteht bei diesen Wagen die Möglichkeit, dass sie es überleben.«
Regan überhörte die beleidigende Äußerung über ihre Fahrfähigkeiten. Immerhin hatte sie seinen Lieferwagen zu Schrott gefahren.
Sie drehte sich um und ging zurück ins Schlafzimmer, steuerte schnurstracks auf eine entlegene Ecke zu und kniete sich vor Jagrs schwere Tasche.
Sie zögerte nur einen kleinen Moment.
Nachdem ihr dreißig Jahre lang sogar der Anschein von Privatsphäre versagt geblieben war, widerstrebte ihr der Gedanke sehr, in die einer anderen Person einzudringen. Insbesondere in die von Jagr, der genau wie sie endlose Erniedrigungen hatte ertragen müssen.
Trotzdem war sie nicht so dumm, dass sie sich ohne irgendeine Waffe auf die Suche nach ihm gemacht hätte. Im Gegensatz zu anderen Rassewölfen konnte sie sich nicht darauf verlassen, dass sie sich verwandeln konnte, um ihre Kämpfe auszutragen. Sie brauchte etwas Scharfes. Und Großes.
Sie holte tief Luft und zwang sich, die Tasche zu öffnen. Ihre Finger hielten inne, als sie auf glattes Leder statt auf den kalten, harten Stahl trafen, den sie erwartet hatte. Mit einem melancholischen Lächeln zog sie das schwere Buch heraus, das in einer Sprache geschrieben war, die sie nicht kannte.
Sehnsüchtig ließ sie ihre Finger über das betagte Leder des Buchdeckels gleiten. Sie hatte während ihrer Reisen mit Culligan verschiedene Dämonen, Krieger und sogar mächtige Anführer kennengelernt, aber niemand von ihnen hatte eine so faszinierende Mischung an Kontrasten zu bieten gehabt.
Eisig und distanziert und trotzdem so schrecklich verletzlich. Stark und doch zärtlich. Rohe, rücksichtslose Macht und dabei die Seele eines Gelehrten.
Kopfschüttelnd legte Regan das Buch auf den Boden und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Tasche. Dieses Mal hatte sie keine Schwierigkeiten, einen der zahlreichen Dolche zu finden, die auf dem Taschenboden gestapelt waren.
Sie wählte sehr sorgfältig einen aus, der kein Silber enthielt (bei ihrem derzeitigen Glück würde sie sich wahrscheinlich selbst stechen) und groß genug war, dass sie damit einem Feind eine ordentliche Stichwunde zufügen konnte, umfasste das Heft mit festem Griff und verließ die privaten Räumlichkeiten.
Fast erwartete sie, angehalten zu werden, als sie den gleichen Weg wie vorher zurückging, um das Versteck zu verlassen, aber obwohl die Vampire mit unheimlicher Stille beobachteten, wie sie ging, sprang niemand vor, um zu versuchen, ihr den Weg nach draußen zu versperren.
Gott sei Dank. Sie glaubte nämlich nicht, dass ihr Dolch, egal, wie groß oder glänzend er auch war, viel gegen sie ausrichten könnte.
Regan lief über die freien Felder, all ihre Sinne geschärft, um jede mögliche Spur von Jagr zu entdecken.
Falls der Kobold genügend Hirn hatte, hatte er seine Geisel ans andere Ende der Welt gebracht, aber durch Culligan hatte sie gelernt, dass die launischen Dämonen gerne zuerst sprangen und später nachdachten.Wenn überhaupt.
Natürlich war die Hoffnung, zufällig auf Jagr zu stoßen, so, als ob sie hoffte, einen Topf voller Gold am Ende des Regenbogens zu finden. Trotzdem musste sie …
Regan hielt an, als ihr plötzlich ein verrückter Gedanke kam.
Warum sollte sie nach einer Nadel im sprichwörtlichen
Heuhaufen suchen, wenn sie auch direkt zur Quelle ihrer Schwierigkeiten gehen konnte?
Wenn sie die Wolfstöle aufspüren konnte, die Gaynor befohlen hatte, sie überhaupt erst aufzuspüren, dann würde irgendwann auch der Kobold auftauchen. Das Einzige, was Regan mit Sicherheit wusste, war, dass der Kobold nicht lange mit einem wütenden Vampir festsitzen wollte.
Und ganz plötzlich wurde ihr klar, dass sie möglicherweise tatsächlich über das Mittel verfügte, das Miststück zu finden.
Regan ignorierte den Drang, so schnell wie möglich zurück nach Hannibal zu rennen, und zwang sich, ein gleichmäßiges Tempo beizubehalten, das es ihr erlaubte, ihre Suche nach Jagr weiterzuführen und gleichzeitig auf jede Gefahr aufzupassen, die vielleicht auf sie lauerte.
Es hatte keinen Sinn, sich wegen einer Sache umbringen zu lassen, die sich sehr gut als aussichtslose Suche herausstellen konnte.
Als sie weiterjoggte, stieg die Sonne über den Horizont und tauchte die Landschaft in einen zarten Dunstschleier in einem
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