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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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verkehrten mit einem Male in den Häusern von Großkaufleuten, in die er bis dahin kaum je einen Fuß gesetzt hatte. Er hatte sich einen neuen Hut und sogar mehrere Paar feine Seidenstrümpfe gekauft. Der Kaminaufsatz in der Stube war mit schönen blau-weißen Delfter Kacheln verziert worden. Margaretha hatte sich sogar den Sklavenjungen Quash, der bis dahin im Haus eine Art Mädchen für alles gewesen war, vorgenommen und ihm beigebracht, bei Tisch zu servieren. Als der alte Geistliche ihnen die Ehre seines Besuchs erwies, hatte er sie zur Anstelligkeit des Sklavenjungen beglückwünscht.
    Eines Tages, im Juni, als van Dyck sich von einer Kegelspielrunde verabschiedete, redete ihn ein junger holländischer Kaufmann mit baas an. Und wenn ein Niederländer einen als baas titulierte, so bedeutete dies, dass man ein wichtiger Mann war, eine Respektsperson. Sein Gang strahlte eine neue Selbstsicherheit aus; seine Frau schien sehr stolz auf ihn zu sein.
    Insofern kam der Streit für ihn vollkommen überraschend.
    Es war ein Abend im Juli. Am nächsten Morgen wollte er flussaufwärts. Margaretha wusste das schon seit geraumer Zeit. Deswegen erschien es ihm kaum nachvollziehbar, als sie plötzlich sagte: »Ich glaube, du solltest morgen besser nicht fahren.«
    »Warum denn nicht? Es ist schon alles vorbereitet.«
    »Weil du deine Familie nicht in solcher Gefahr alleinlassen darfst.«
    »Was für einer Gefahr?«
    »Das weißt du sehr gut. Die Engländer.«
    Sie hatte natürlich nicht unrecht. Der Kaufmann Springsteen, dessen Ansichten er achtete, hatte es ihm erst neulich sehr klar auseinandergesetzt. »Die Engländer wollen unseren Fell- und Sklavenhandel an sich reißen. Der Tabak, der in diesem Hafen umgeschlagen wird, wäre für sie zehntausend Pfund im Jahr wert. Aber vor allen Dingen, mein Freund, wenn sie Neu-Amsterdam haben, haben sie den Fluss, und dann kontrollieren sie den gesamten Norden.«
    Die Engländer waren zunehmend aggressiver geworden. Drüben auf der Langen Insel, deren hinteres Ende sie kontrollierten, hatten sie das Manhattan zugewandte Territorium bislang immer den Niederländern überlassen. Letztes Jahr aber verlangte Gouverneur Winthrop von Connecticut von einigen niederländischen Siedlungen Steuern, und nicht alle hatten sich getraut, sie ihm zu verweigern.
    Ein noch größerer Schreck war erst kürzlich gekommen.
    Mochte König Karl II. von England auch ein amüsanter Gauner sein – sein jüngerer Bruder Jakob, der Herzog von York, war aus härterem Holz geschnitzt und weniger beliebt. Die Leute hielten ihn für hochmütig, unnachgiebig und ehrgeizig. Entsprechend groß war die Erschütterung gewesen, als die Nachricht kam: »Der König hat die amerikanischen Kolonien seinem Bruder geschenkt, von Massachusetts bis fast hinunter nach Maryland.« Dieses Gebiet schloss auch die Neu-Niederlande ein. Und der Herzog von York entsandte eine Flotte nach Amerika, um seinen Anspruch durchzusetzen.
    Pieter Stuyvesant war außer sich gewesen. Er hatte angefangen, die Befestigungsanlagen zu verstärken, und Wachen aufgestellt. Die Westindien-Kompanie schickte zwar weder Geld noch Truppen, trotzdem hatte sie ihm befohlen, die Kolonie zu verteidigen. Und der furchtlose Gouverneur war fest entschlossen, zumindest Neu-Amsterdam zu halten.
    Doch dann kam aus dem Mutterland eine weitere Botschaft: Die britische Regierung hatte den Niederlanden – mit absoluten Garantien – zugesichert, keinerlei Ansprüche auf deren Kolonie zu erheben. Die Flotte war unterwegs nach Boston. Kurz darauf trafen tröstliche Nachrichten ein. Die Flotte hatte Boston erreicht und blieb auch dort. Die Krise war ausgestanden. Stuyvesant war schon flussaufwärts aufgebrochen, um gewisse Probleme mit den dort ansässigen Mohawk-Indianern zu regeln.
    Als Margaretha also die englische Bedrohung ins Feld führte, um ihn davon abzuhalten, den Fluss hinaufzufahren, durchschaute van Dyck ihre List sofort als das, was sie war: ein Versuch, ihn zu kontrollieren. Dem er sich nicht zu beugen gedachte.
    »Und meine Geschäfte?«, fragte er.
    »Die können warten.«
    »Das glaube ich nicht.« Er schwieg kurz, während sie ihn anstarrte. »Du und die Kinder werdet nicht in Gefahr sein«, fuhr er fort.
    »Sagst du.«
    »Weil es die Wahrheit ist.«
    »Heißt das, du weigerst dich, hierzubleiben?«
    »Selbst der moskowitische Großfürst glaubt, dass jetzt keine Gefahr mehr droht«, sagte er leichthin. So nannten die Bürger von Neu-Amsterdam Stuyvesant,

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