Im Rausch der Freiheit
die sie nur Steinwerkzeuge besaßen, im Winter. Nur hatten die Engländer mithilfe von Stahlbohrern, die die Arbeit beschleunigten, eine eigene Produktion begonnen und damit die Indianer ausgestochen. Schlimmer noch: Da das Angebot an Wampum ebenso schnell stieg wie die Nachfrage nach Waren, brauchte man immer mehr Wampum, um die gleichen Waren zu kaufen. Für die niederländischen und englischen Kaufleute war eine solche Inflation nichts Ungewöhnliches; aber die Indianer, die es gewohnt waren, die Schönheit des Wampums und den ihm wesenhaft innewohnenden Wert zu sehen, hatten bald den Eindruck, dass die Weißen sie betrogen.
Was van Dyck jetzt in den Händen hielt, war ein Gürtel. Er war weniger als drei Zoll breit, aber sechs Fuß lang, sodass er ihm mehr als zweimal um die Taille gehen würde. Vor einem Hintergrund aus weißen Muschelscheibchen hoben sich in Purpur gehaltene kleine geometrische Figuren ab. Das Mädchen zeigte stolz auf sie.
»Weißt du, was das heißt?«, fragte sie.
»Nein«, gestand er.
»Es heißt« – sie strich mit dem Finger darüber – »›Vater von Bleiche Feder‹.« Sie lächelte. »Wirst du ihn tragen?«
»Immer«, versprach er.
»Das ist gut.« Sie sah ihm glücklich zu, wie er den Gürtel anlegte. Dann saßen sie dort lange beisammen und schauten zu, wie die Sonne langsam rot wurde und über den Wäldern jenseits des Stromes niederging.
Am nächsten Morgen versprach er beim Abschied, dass er sie auf der Rückfahrt noch einmal besuchen werde.
*
Diesen Sommer verlief Dirk van Dycks Reise angenehm. Das Wetter war schön. Am westlichen Ufer zogen sich die ausgedehnten Waldgebiete hin, die noch immer von den Algonkin sprechenden Stämmen kontrolliert wurden, zu denen auch das Volk seiner Tochter gehörte. Er kam an Mündungen von kleinen Flüsschen vorbei, die er gut kannte. Und er reiste, wie er zu sagen pflegte, als Gast des Flusses. Der mächtige Gezeitenstrom vom Ozean konnte seinen Puls hundertfünfzig Meilen weit Hudsons Fluss hinaufschicken, bis zum Fort Oranje. Im Sommer gelangte sogar das salzige Meerwasser fast sechzig Meilen stromaufwärts. So ließ er sich größtenteils bequem von der Strömung seinem Ziel, hoch oben im Mohawk-Territorium, entgegentreiben.
Viele fürchteten die Mohawks. Die Indianer, die im Gebiet rund um Manhattan lebten, sprachen alle Algonkin-Sprachen, aber die Mohawks und andere mächtige Stämme, die die riesigen Wälder im Norden kontrollierten, sprachen Irokesisch. Und die irokesischen Mohawks hatten wenig für die Algonkin übrig. Es war mittlerweile vierzig Jahre her, dass sie angefangen hatten, sie zu bedrängen. Sie überfielen die Algonkin und forderten von ihnen Tribut. Doch trotz des furchterregenden Rufes der Mohawks hatten die Niederländer von Anfang an einen pragmatischen Standpunkt eingenommen.
»Wenn die Mohawks die Algonkin überfallen, umso besser. Mit ein wenig Glück bedeutet dies, dass die Algonkin zu sehr damit beschäftigt sind, die Mohawks zu bekämpfen, um uns Schwierigkeiten zu machen.« Die Niederländer hatten sogar den Mohawks Schusswaffen verkauft.
In van Dycks Augen barg diese Politik gewisse Risiken. Die nördlichen Außenposten der Neu-Niederlande, wie Fort Oranje und Schenectady, lagen auf Mohawk-Territorium. Manchmal machten die dortigen Mohawks Probleme. Genau solche waren es, die Pieter Stuyvesant kürzlich nach Fort Oranje gerufen hatten. So wenig er Stuyvesant auch leiden mochte, hegte van Dyck keinen Zweifel daran, dass der zähe alte Gouverneur mit den Mohawks fertigwerden würde. Sie mochten kriegslustig sein, aber sie würden verhandeln, weil es in ihrem eigenen Interesse lag.
Van Dyck selbst hatte keine Angst vor den Mohawks. Er sprach Irokesisch, und er kannte ihre Sitten und Gebräuche. Außerdem wollte er gar nicht bis nach Fort Oranje hinauf, sondern zu einem Handelsposten an einem kleinen Nebenfluss, ungefähr eine Tagesreise südlich des Forts. Nach seinen Erfahrungen waren Kaufleute, was immer sonst auf der Welt auch gerade passieren mochte, jederzeit willkommen. Er würde in die Wildnis gehen und den Mohawks verwässerten Branntwein verkaufen und mit einer schönen Ladung Felle zurückkehren.
»Vertrau dem Handel«, pflegte er zu sagen. »Königreiche kommen und gehen, aber der Handel bleibt immer bestehen.«
Natürlich war es schade, dass er gezwungen war, mit den Mohawks Handel zu treiben. Denn das Volk der Algonkin, zu dem seine Tochter gehörte, mochte er lieber. Doch was konnte
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