Im Rausch der Freiheit
dessen despotische Regierungsweise sie ihm oft übel nahmen, hinter seinem Rücken.
»Es besteht keine Veranlassung, auf den Gouverneur mit diesem albernen Namen anzuspielen«, sagte sie zornig.
»Wie du meinst.« Er zuckte die Schultern. »Dann eben Stelzfuß.«
Tatsache war, dass Stuyvesant bei den Kaufleuten, die reichen Freunde seiner Frau eingeschlossen, nicht sonderlich beliebt war – wie übrigens die ganze Westindien-Kompanie. Etlichen von ihnen, schätzte van Dyck, hätte es kaum gleichgültiger sein können, welches Land Anspruch auf die Kolonie erhob, solange der Handel ungestört weiterlief. Er fand es irgendwie leicht belustigend, dass die Freunde seiner Frau eher seine als ihre Ansichten teilten.
»Er ist zehn von deiner Sorte wert!«, schrie sie wütend.
»Mein Gott«, lachte er, »ich glaube gar, du bist in ihn verliebt!«
Er war zu weit gegangen: Jetzt explodierte sie förmlich.
»Hast du nichts anderes im Kopf? Vielleicht solltest du nicht von dir auf andere schließen! Und was deine Besuche bei den Indianern anbelangt …« Sie spie die Worte mit bitterer Verachtung aus – was sie damit sagen wollte, war unzweifelhaft klar. »Wenn du weiterhin Wert auf mein Geld legst, sieh besser zu, dass du in drei Wochen zurückkommst!« Diese letzte Drohung stieß sie schreiend aus, während sie aufstand. Ihre Augen loderten vor Wut.
»Ich werde zurückkommen«, sagte er mit eisiger Ruhe, »sobald meine Geschäfte erledigt sind.« Aber sie war schon aus dem Zimmer gestürmt.
Er verließ das Haus im Morgengrauen, ohne sie wiedergesehen zu haben.
*
Es war ein herrlicher Sommermorgen, als das breite Klinkerboot, mit vier Ruderern bemannt, Kurs nach Norden nahm. Van Dycks Reise führte heute allerdings nicht direkt zu Hudsons großem Fluss, sondern begann auf der anderen Seite von Manhattan, auf dem Ost-Fluss. Den Mittelteil des Bootes nahm ein gewaltiger Stapel des dicken, unverwüstlichen Stoffes ein, den die Niederländer duffel nannten. Diese legale Ladung würde jedes neugierige Auge zufriedenstellen.
Es war eine friedvolle Szene. Nach einer Weile zogen sie an einer langen, flachen Insel vorbei, und dann, als sie den Hafenkai von Neu-Amsterdam fast acht Meilen hinter sich gelassen hatten, hielten sie hart nach Steuerbord auf einen kleinen Landungssteg auf der Ostseite zu, wo eine Anzahl von Männern mit einer Wagenladung Fässer sie erwarteten. Denn das war ihre eigentliche Fracht.
Es nahm einige Zeit in Anspruch, alle Fässer zu verladen. Der Vormann, ein korpulenter holländischer Bauer, fragte van Dyck, ob er die Ware prüfen wolle.
»Ist er so wie bisher?«, fragte dieser.
»Genauso.«
»Ich vertraue Ihnen.« Sie hatten schon häufig Geschäfte miteinander gemacht.
Branntwein. Die Indianer konnten nicht genug davon kriegen. Ihnen Alkohol zu verkaufen verstieß streng genommen gegen das Gesetz. »Aber das Verbrechen ist weniger schlimm«, hatte der Vormann van Dyck leutselig mitgeteilt, »weil ich das Zeug verdünnt habe.« Nur ein bisschen – die Indianer merkten den Unterschied nicht –, aber genug, um van Dycks Gewinnmarge um weitere zehn Prozent zu erhöhen. Als alle Fässer verstaut waren, legte das Boot ab.
Bei dieser Operation gab es nur ein Problem: Die Fracht musste den Ost-Fluss hinaufbefördert werden. Wollte van Dyck nicht den Umweg zurück über Neu-Amsterdam nehmen, war er gezwungen, weiter die Ostseite Manhattans entlangzufahren, bis er Hudsons großen Nordfluss erreicht hatte. Und das brachte Gefahren mit sich.
Denn an seinem oberen Ende gabelte sich der East River. Nach links führte ein schmaler Wasserweg um die Nordspitze Manhattans herum. Nach rechts bog ein breiterer Kanal ostwärts ab und mündete in den gewaltigen Sund, dessen stilles Wasser sich, durch die Lange Insel vor dem Ozean geschützt, fast hundert Meilen weit hinzog. Die Gefahr lag an der Gabelung. Denn auch wenn alle drei Wasserwege ruhig erschienen, unterlagen sie dem Sog und Druck jeweils geringfügig unterschiedlicher Gezeiten und Strömungen, sodass an ihrer Schnittstelle ein komplexer Strudel entstand, der aufgrund mehrerer kleiner Inseln, die an diesem Schnittpunkt lagen, noch schwieriger abzuschätzen war. Selbst am windstillsten Tag, wenn draußen im Sund das sanfte Wasser das Röhricht kaum in Bewegung zu versetzen schien, konnte ein unerfahrener Fährmann, der die Gabelung erreichte, mit seinem Kahn unvermutet in die Wirbel und Strudel geraten und hilflos gegen eine Wasserwand geschmettert
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