Im Rausch der Freiheit
werden, die wie ein zorniger Gott aus der Tiefe aufgetaucht zu sein schien. »Höllentor« wurde diese Stelle genannt. Wenn irgend möglich, mied man sie.
Deswegen bogen sie vorsichtig, sich dicht an die Küste Manhattans haltend, in die enge Rinne zur Linken ein und wurden zwar kräftig gerüttelt, kamen aber sicher hindurch.
Links von ihnen lag die kleine Siedlung Haarlem. Die Nordspitze Manhattans war zwar nur eine knappe Meile breit, doch sie erhob sich zu beträchtlicher Höhe. Zu ihrer Rechten begann Broncks Land. Der enge Kanal zog sich ein paar Meilen hin, bis er, an einigen alten indianischen Höhlen und verlassenen Lagern vorbei, durch eine steile, gewundene Schlucht in den großen Nordfluss mündete. Hier kam eine weitere Stelle mit gefährlichen Querströmen, die es zu bewältigen galt. Als sie endlich auf dem großen Fluss waren, stieß van Dyck einen Seufzer der Erleichterung aus.
Von da ab war es einfach. Wenn die Flut des Atlantiks durch die Bucht hereinkam und den Fluss sanft zurückdrängte, ging die Strömung viele Meilen weit bergauf. Sie hatten die Tide im Rücken. Deswegen bewegte sich das schwer beladene Boot, ohne dass sich die Ruderer besonders anzustrengen brauchten, rasch nach Norden. Zu ihrer Rechten zog das ausgedehnte Gut des Jonkers vorbei. Backbords setzten sich die steinernen Palisaden des Westufers fort, bis sie einem buckligen Hügel wichen. Und jetzt, auf Steuerbord, sah van Dyck auch schon sein Ziel, das Indianerdorf direkt oberhalb der östlichen Uferböschung. »Hier«, sagte er zu den Ruderern, »werden wir bis morgen rasten.«
*
Sie freute sich sehr, ihn zu sehen, und führte ihn vergnügt durch das kleine Dorf, damit er alle Familien begrüßen konnte. Die aus u-förmig gebogenen jungen Bäumchen und einer Rindenverkleidung bestehenden Häuser standen ohne jede schützende Palisade nebeneinander auf einer lang gestreckten Anhöhe am Wasser. Das größte Haus, ein langes, schmales Gebäude, beherbergte fünf Familien. Neben diesem Haus waren zwei Walnussbäume, und in den Sträuchern dahinter wuchsen wilde Reben. Unten am Flussufer hingen riesige Fischernetze auf Trockenstangen. Im seichten Wasser am Rande des Röhrichts gründelten Schwäne und Stockenten.
So arm sie auch ist, dachte van Dyck, lebt meine Tochter nicht schlechter als ich.
Am frühen Abend aßen sie saftigen Fisch aus dem Fluss. Es lagen noch einige Stunden Helligkeit vor ihnen, als Bleiche Feder ihn einlud, mit ihr den Hang hinauf zu einem Vorsprung zu steigen, von dem aus man einen schönen Ausblick auf das Wasser hatte. Er bemerkte, dass sie ein mit Blättern umwickeltes Päckchen bei sich trug. Sie saßen in der Abendsonne und betrachteten die Adler, die hoch über ihnen kreisten. Nach einer Weile sagte sie: »Ich habe ein Geschenk für dich. Es ist selbst gemacht.«
»Darf ich es sehen?«
Sie reichte ihm das Päckchen. Er schlug die Blätter auseinander. Und dann lächelte er entzückt.
»Wampum!«, rief er aus. »Er ist wunderschön.« Gott allein wusste, wie viele Stunden sie gebraucht haben mochte, um ihn herzustellen.
Wampum. Kleine Scheibchen von Meeresschneckenhäusern und Muscheln, in der Mitte durchbohrt und aufgefädelt. Weiß vom Gehäuse der Uferschnecke; Purpur oder Schwarz von der Venusmuschel. Aneinandergenäht oder gewoben wurden die Perlenschnüre zu Gürteln, Stirnbändern, allen möglichen Zierraten.
Und Geld. Bei den Indianern waren Wampumschnüre Zahlungsmittel für Waren, Ehefrauen, Tribute. Und da er Reichtum darstellte, achteten die weisen Männer des Stammes immer darauf, dass Wampum unter die verschiedenen Familien aufgeteilt wurde.
Aber er war mehr als Schmuck und Zahlungsmittel. Wampum besaß oft eine besondere Bedeutung. Weiß bedeutete Frieden und Leben; Schwarz bedeutete Krieg und Tod. Aber beim Weben von Wampum war es auch ohne Weiteres möglich, kunstvolle Muster und kleine geometrische Piktogramme zu erzeugen, die sich dann lesen ließen. Breite, viele Fuß lange Zeremonialgürtel hielten wichtige Ereignisse oder Friedensschlüsse fest. Heilige Männer trugen Wampum mit Symbolen von tiefer Bedeutung.
Die Niederländer hatten nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass sie mit Wampum – den sie sewan nannten – Felle kaufen konnten. Aber die englischen Puritaner oben in Massachusetts waren noch einen Schritt weitergegangen. Traditionell sammelten die Indianer die Muscheln und Schnecken im Sommer und erledigten die langwierige Arbeit des Durchbohrens, für
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