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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Wert auf Masters weitere Förderung legte – auf das Geld, das er in die Ausstellung investierte, auf die Kunden, die er ihm verschaffte –, dann mussten die drei Photographien aufgehängt werden. Er seufzte. Das war der Preis. Die Frage lautete: Würde er ihn zahlen?
    »Jetzt ist es vier«, sagte Master. »Ich bin um sechs wieder da, vor der Eröffnung.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte Theodor.
    »Ich bitte Sie darum.«
    Die nächste halbe Stunde lang überlegte er, was er tun sollte. Am liebsten hätte er einen Spaziergang gemacht, um sich die Sache gründlich durch den Kopf gehen zu lassen, aber er war verabredet, hoffte, sie würde bald erscheinen.
    *
    Vom Gramercy Park zur Galerie musste Mary O’Donnell nicht weit gehen. Sie hätte sich ohne Weiteres am Abend den Masters anschließen können -ja, Mrs Master hatte ihr das ausdrücklich vorgeschlagen. Aber auch wenn sie wusste, dass Gretchen da sein würde, behagte Mary die Vorstellung ganz und gar nicht, sich inmitten eines eleganten Publikums zu bewegen. Da war es ihr viel lieber, sich von Theodor privat durch die Ausstellung führen zu lassen. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich immer wohl.
    Schließlich waren sie ein Liebespaar gewesen.
    Nicht lange. Nach den Einberufungskrawallen von 1863 war sie fest entschlossen, ihn nicht zu besuchen. Sie wusste, dass er, als er sie auf dem Strand von Coney Island verführen wollte, keinerlei ernste Absichten hegte.
    Kaum wieder in der Stadt tauchte sie in ihr gewohntes Leben im masterschen Haushalt ein, und hatte schon nach einer Woche das Gefühl, dass er in ihrer Erinnerung verblasste.
    Daher, sagte sie sich, war es nur aus einer Laune heraus geschehen, dass sie eines Samstags Anfang August an ihrem freien Tag, als sie keine Verabredungen hatte, zu seinem Atelier in der Bowery schlenderte.
    Als sie eintrat, war er gerade dabei, das Porträt eines jungen Mannes fertigzustellen. Er begrüßte sie höflich, als sei sie seine nächste Kundin, und bat sie, noch kurz im größeren Atelier zu warten. Sie hatte sich dort auf das Sofa gesetzt, war dann wieder aufgestanden, um einen Blick auf den Büchertisch zu werfen. An dem Tag waren keine Gedichtbände zu sehen – lediglich eine Zeitung und eine alte Ausgabe von Nathaniel Hawthornes Der scharlachrote Buchstabe. Das Buch kannte sie schon, also begnügte sie sich damit, die Zeitung zu lesen. Sie hörte, wie der junge Mann sich verabschiedete und Theodor sich im Atelier zu schaffen machte. Dann trat er ein und blieb lächelnd stehen.
    »Ich hatte nicht geglaubt, dass du kommen würdest.«
    »Ich war zufällig in der Nähe«, sagte sie. »Da hab ich mir gesagt, ich schau einfach herein.«
    »Das war für heute mein letzter Kunde. Hättest du Lust, einen Happen zu essen?«
    »Wenn du möchtest«, sagte sie und stand auf.
    Er trat auf sie zu.
    »Wir können später essen gehen«, sagte er. Dann küsste er sie.
    Ihre Affäre dauerte diesen und den folgenden Monat. Natürlich konnte sie sich nur zu bestimmten Zeiten mit ihm treffen, aber es war verblüffend, wie oft sie es mit ein bisschen Findigkeit schafften, sich zu sehen. An ihren freien Tagen gingen sie spazieren, oder er führte sie ins Konzert oder ins Theater aus, oder unternahm andere Dinge mit ihr, von denen er annahm, dass sie ihr gefallen würden. Ab und zu erklärte er ihr, wie er seine Photographien aufnahm, wie er sie zu komponieren und auszuleuchten versuchte, und sie merkte, dass sie ein angeborenes Verständnis für derlei Dinge besaß, sodass sie bald erkennen konnte, was seine besten Werke waren und manchmal auch, warum das so war.
    Sie wusste, dass er sie nicht heiraten würde, und war sich nicht einmal sicher, ob sie sich das überhaupt wünschte. Doch sie wusste, dass er sich für sie interessierte und dass er sie gern hatte.
    Gretchen erzählten sie nichts.
    Mitte September stattete Sean ihr einen Besuch ab.
    »Und was läuft da mit Theodor Keller?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte sie.
    »O doch. Ich weiß über alles Bescheid, Mary.«
    »Spionierst du mir nach, Sean? Ich bin fast dreißig. Hast du nichts Besseres zu tun?«
    »Egal, woher ich es weiß. Ich dulde nicht, dass jemand mit meiner Schwester spielt.«
    »Mein Gott, Sean, mit wie vielen Mädchen hast du im Laufe deines Lebens gespielt?«
    »Sie waren nicht meine Schwester.«
    »Nun, das ist meine Sache und geht dich nichts an.«
    »Du weißt ja wohl, dass ich ihn aus dem Weg räumen lassen kann.«
    »O mein

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