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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seine Tochter dort stand, sollte sie wenigstens sein Gesicht nicht sehen. Eine alberne Maßnahme. Selbst mit ihren scharfen Augen hätte sie ihn von dort aus nicht erkennen können. Er senkte den Kopf, starrte auf die Felle zu seinen Füßen und schämte sich. Weit drüben am jenseitigen Ufer fiel das kleine Indianerdorf allmählich zurück. Er drehte sich um, konnte noch immer die Reihe von Frauen sehen, aber jetzt nur undeutlich und verschwommen.
    Sie glitten weitere hundert Ellen flussabwärts. Dann weitere hundert.
    »Überwechseln«, befahl er. Die Ruderer sahen ihn erstaunt an.
    »Aber Baas«, sagte einer.
    »Überwechseln!« Er zeigte auf das Ostufer. Er war schließlich der Baas. Widerwillig gehorchten sie ihm.
    Als das Boot sich quer zur Strömung zu drehen begann, sah Stuyvesant es sofort.
    »Was zum Teufel treiben Sie?«, brüllte er über das Wasser.
    Van Dyck zögerte. Sollte er antworten? Er überlegte rasch.
    »Ich komme nach!«, rief er mit einer Stimme, die zum Ausdruck bringen sollte, dass er keinen anderen Wunsch hatte, als an der Seite des Gouverneurs zu sein. »Wir holen Sie bald wieder ein!«
    »Kurs halten!«, brüllte Stuyvesant zurück. Eine Sekunde später hallte Stuyvesants Stimme erneut über das Wasser. »Vergessen Sie Ihren Indianerbastard, van Dyck! Denken Sie an Ihr Land!«
    Woher wusste er von Bleiche Feder? Van Dyck verfluchte leise den Gouverneur. Es war ein Fehler gewesen, das Mädchen nach Neu-Amsterdam mitzunehmen. Er hätte das niemals tun dürfen.
    »Folgen Sie mir, Dirk van Dyck!«, ertönte Stuyvesants Stimme wieder. »Vergessen Sie Ihr Halbblut und folgen Sie mir, oder Ihre Frau wird von der Sache erfahren, das verspreche ich Ihnen!«
    Van Dyck stieß einen weiteren Fluch aus. Hatten sich der Gouverneur und seine Frau über das Mädchen unterhalten? Welcher Art waren überhaupt die Beziehungen zwischen Stuyvesant und seiner Frau? Aber die Drohung, Margaretha davon zu erzählen, war ernst zu nehmen. Eine Sache war es, sie in Ungewissheit darüber zu lassen, wo er sich befand. Aber wenn sie wirklich erfahren sollte, dass er sich dem Gouverneur widersetzt, dass er seine Familie nicht beschützt hatte – denn so würde sie das darstellen –, und alles wegen seiner Halbbluttochter … Das würde ernste Folgen haben. Margaretha würde ihm das nicht durchgehen lassen. Gott allein wusste, was das für Auswirkungen auf sein Geschäft, auf sein Familienleben hätte. Verfluchter Stelzfuß! Zur Hölle mit ihm! Er nickte seinen Männern zu.
    »Wir folgen ihm«, sagte er resigniert.
    Der Bug des Bootes schwang herum, richtete sich wieder stromabwärts.
    Van Dyck starrte nach vorn. Wie sinnlos das alles! War er jetzt dazu verdammt, Stelzfuß bis zum bitteren Ende zu folgen? Genau das, was er zu vermeiden versucht hatte.
    Durch sein Zögern hatte sich der Abstand zwischen seinem Boot und dem des Gouverneurs erheblich vergrößert. Er dachte an die englische Flotte, die sie erwartete, an den entschlossenen, sturen Gouverneur und an das verletzte und zornige Gesicht seiner Frau. Er dachte an seine unschuldige, schutzlose Tochter, die auf ihn wartete. Die graue Felspalisade über ihm schien von einer dumpfen Klage widerzuhallen. Wieder warf er einen Blick zurück: Die Indiandersiedlung war, von den Bäumen verborgen, nicht mehr zu sehen. Er war zu seiner Tochter gekommen und dann einfach an ihr vorbeigefahren.
    »Wenden.«
    »Baas?«
    »Wir fahren zurück. Wenden!«, befahl er. Die Männer wechselten unschlüssige Blicke. »Wollt ihr lieber gegen die Engländer kämpfen?«, schrie er. Wieder warfen sich die Männer Blicke zu. Und gehorchten. Der Bug schwang herum und richtete sich auf das Ostufer.
    Stuyvesant beobachtete sie noch immer. Er sah, und er verstand. Und jetzt schallte seine Stimme als ein gewaltiger Schrei das Flusstal herauf.
    »Verräter!« Das Wort erreichte van Dyck wie ein Donnerschlag. Und es mochte ebenso gut weiterhallen, den großen Strom hinauf bis zu seiner Quelle hoch oben im Norden: »Verräter.«
    Er blickte zurück zum Boot des Gouverneurs, doch er änderte seinen Kurs nicht. Hier trennten sich ihre Wege, und das wussten sie beide, während der große Fluss Stuyvesant mit seiner mächtigen Strömung nach Süden riss und van Dyck, wenigstens für einen Augenblick frei, zurückkehrte, um seiner Tochter den glänzenden Silberdollar zu bringen.

AUS DEM LEBEN VON QUASH
    Mein Name ist Quash, woran man erkennt, dass ich an einem Sonntag geboren wurde. Denn ich habe

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