Im Rausch der Freiheit
Clara anging – das war das hübscheste Kind, das man sich vorstellen kann, mit goldenem Haar und blauen Augen. Als sie noch klein war, habe ich sie immer auf den Schultern getragen, und sie wollte, dass ich das weiterhin tat, selbst als sie schon zehn oder elf war, und lachte dabei die ganze Zeit, nur um mich zu ärgern, sagte sie. Ich liebte dieses Kind.
Ich war immer ein sehr guter Läufer. Manchmal veranstaltete Mijnheer van Dyck ein Rennen zwischen mir und Jan und der kleinen Clara, wobei Jan einen guten Vorsprung vor mir bekam und Clara sich nur ein kleines Stück von der Ziellinie entfernt aufstellen musste. Jan überholte ich meist, aber wenn ich Clara einholte, hielt ich mich zurück, sodass sie gewinnen konnte, was sie immer maßlos freute.
Manche niederländischen Herren waren grausam zu ihren Sklaven, aber Mijnheer van Dyck und die Herrin behandelten mich in jenen Jahren immer gütig. Als kleiner Junge musste ich nur leichte Arbeiten verrichten. Als ich etwas älter wurde, trug mir Mijnheer van Dyck viele Aufgaben auf. Ständig holte und trug ich irgendwas. Doch das einzige Mal, wo er mich ausgepeitscht hat, das war, als Jan und ich eine Fensterscheibe zerbrochen hatten, und da bekamen wir beide den Riemen zu spüren und jeder gleich viel.
*
Als ich ungefähr vierzehn war, wurde Mijnheer van Dyck ein bedeutenderer Geschäftsmann, und alle, auch ich, fingen an, ihn baas zu nennen. Also werde ich ihn ab jetzt so bezeichnen. Ungefähr um diese Zeit kam der Herrin die Idee, dass ich gut aussehen würde, wenn ich eine Livree trüge wie ein Diener in einem großen Haus. Der Baas lachte, aber er ließ sie gewähren, und diese Livree, sie war blau, stand mir wirklich gut. Ich war mächtig stolz. Und die Herrin lehrte mich, Besuchern die Tür zu öffnen und bei Tisch zu servieren, was mich sehr freute. Und sie sagte: »Quash, du hast ein wunderschönes Lächeln.« Also achtete ich darauf, ständig zu lächeln, und ich stand hoch in ihrer Gunst und ebenso in der vom Baas. Eines Tages kam der alte Pastor Cornelius zu Besuch. Er war ein sehr bedeutender Mann, groß und immer in Schwarz gekleidet, der sich trotz seines Alters sehr gerade hielt. Er bemerkte der Frau vom Baas gegenüber, wie elegant ich aussähe. Von da an ließ sie überhaupt nichts auf mich kommen. Und so vermute ich, dass ich wegen dieser guten Behandlung eine viel zu hohe Meinung von mir bekam. Ja, ich glaube gar, dass ich mich eine Zeitlang eher wie ein Lohndiener als wie ein Sklave fühlte. Und ich dachte oft darüber nach, was ich tun könnte, damit diese Familie mich noch höher schätzte.
Als ich ungefähr einen Monat nach diesem Besuch im Auftrag der Herrin unterwegs war, sah ich auf der Straße den alten Pastor, in Schwarz gekleidet und mit einem großen, spitzen schwarzen Hut mit breiter Krempe. Nun war mir zufällig gerade ein paar Tage vorher eine Idee gekommen, wie ich in der Achtung des Baas und seiner Familie aufsteigen könnte; denn ich hatte mich daran erinnert, wie der alte Schwarze mir erzählt hatte, den Freigelassenen sei gestattet, Mitglieder der niederländischen Kirche zu werden. Als ich den alten Dominee sah, ging ich auf ihn zu und sagte sehr respektvoll: »Guten Morgen, Herr.« Und er sah mich ziemlich streng an, weil ich ihn in seinen Gedanken unterbrochen hatte, aber dann erkannte er mich und sagte: »Du bist der Sklavenjunge der van Dycks.«
»Der bin ich, Herr«, sagte ich. »Und wenn’s erlaubt ist«, fuhr ich fort, »würde ich Eure Hochwürden gern etwas fragen.«
»Ach? Und zwar?«, sagte er.
»Ich habe mich gefragt«, sagte ich, »ob ich wohl in die Kirche eintreten könnte.«
Einen Augenblick lang sah er mich wie vom Donner gerührt an.
»Du möchtest Mitglied meiner Gemeinde werden?«
»Jawohl, Herr«, sagte ich.
Nun, darauf sagte er eine ganze Weile lang nichts, sondern stand nur so da und sah mich irgendwie kalt, abschätzend an. Als er endlich antwortete, war seine Stimme leise.
»Ich sehe dich als das, was du bist«, sagte er. Und jung und dumm, wie ich war, nahm ich an, das könnte etwas Gutes für mich bedeuten. »Du strebst danach«, fragte er mich, »dich zu verbessern?«
»Jawohl, Herr«, sagte ich hoffnungsvoll und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
»Wie ich vermutete«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu mir. Und er nickte. »Die sich der Gemeinde anschließen«, sagte er, »tun es aus Liebe zu Gott, nicht in Hoffnung auf irgendeinen Lohn.«
Da ich nun mit der Familie van Dyck
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