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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Westseite eine auffällige Anhöhe wie ein Wachposten über dem Wasser ragte. Van Dyck hatte für solche Landmarken eigene Namen. Diese hier nannte er westpunt, Westpunkt; oder West Point, wie er vielleicht dem jungen Engländer erklärt hätte. Kurze Zeit später machte der Fluss eine weitere Biegung, diesmal um einen Hügel herum, den van Dyck wegen seines abgeflachten Buckels »Bärenberg« getauft hatte. Jenseits davon öffnete sich der Fluss zu einem breiteren Strom, zwei bis drei Meilen von Ufer zu Ufer, der sich fünfzehn Meilen weit in südlicher Richtung hinzog, bis er sich wieder zum großen langen Kanal verengte, der an Manhattan vorbeifloss und in die gewaltige Bucht mündete.
    Sie waren noch immer einige Meilen oberhalb des Kanals, als einer der Ruderer van Dyck zunickte, woraufhin er sich umdrehte und den Fluss hinaufspähte und sah, dass ihnen, in vielleicht fünf Meilen Abstand, ein anderes Boot folgte. Er behielt es im Auge und merkte, dass das Boot rasch aufholte. »Die scheinen es ja ganz schön eilig zu haben«, sagte er.
    Als sie sich eine halbe Stunde später der Einfahrt in den Kanal näherten, warf er wieder einen Blick zurück und staunte, wie nah das andere Boot schon gekommen war. Es war viel größer als seines und hatte einen Mast zum Segeln; aber da die Brise von Süden kam, ruderten die Männer. Der Abstand zwischen den zwei Booten war auf die Hälfte geschrumpft und nahm rasch weiter ab. Er konnte nicht sehen, wie viele Riemen das Boot führte, doch eines war sicher:
    »Diese Jungs«, sagte er, »pullen wie die Irren.«
    Sie fuhren jetzt in den engen Kanal ein, und van Dyck erlaubte seinen Männern, langsamer zu rudern. Sie kamen auf der Westseite des Flusslaufs herunter. Über ihnen fing die graue Steinpalisade der Klippen die Strahlen der Nachmittagssonne auf. Jetzt wurde das Wasser leicht kabbelig. Er schaute zurück, aber die Biegung des Flusses verbarg das Boot, das ihnen, wie er vermutete, in den Kanal folgen würde.
    Plötzlich tauchte es hinter ihnen auf. Er konnte jedes Detail erkennen: eine große klinkergebaute Schaluppe mit einem Aufbau im Mittelteil, aus dem der Mast emporragte. Acht Männer bedienten die vier Riemenpaare. Sie lag hoch im Wasser, konnte also keine Fracht geladen haben. Warum hatte es dieses leere Boot nur so eilig? Im Heck stand eine Gestalt, die van Dyck nicht genauer erkennen konnte.
    Das Boot lag inzwischen lediglich zwei Längen hinter ihnen zurück, dann eine Länge. Jetzt war es auf ihrer Höhe. Neugierig schaute er hinüber zur Gestalt im Heck.
    Und starrte unvermutet in ein Gesicht, das er nur allzu gut kannte. Das Gesicht eines Mannes, dem er, wie ihm ein Instinkt verriet, eigentlich lieber nicht begegnet wäre. Und der Mann starrte seinerseits zurück.
    Pieter Stuyvesant.
    Er sah schnell weg, aber es war zu spät.
    »Dirk van Dyck.« Die barsche Stimme hallte über das Wasser.
    »Guten Tag, Gouverneur«, rief er zurück. Was hätte er auch sonst sagen können?
    »Beeilung, Mann! Warum beeilen Sie sich nicht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich Stuyvesant jetzt an van Dycks Ruderer. »Rudert schneller!«, brüllte er. »Pullt!« Und da die Ruderer den furchterregenden Gouverneur erkannten, gehorchten sie augenblicklich, und das Boot machte einen Satz nach vorn. »So ist’s richtig«, schrie er. »Gut so! Bleiben Sie an mir dran. Wir fahren zusammen runter, Dirk van Dyck.«
    »Aber warum?«, rief van Dyck zurück. Der Gouverneur hatte ihn schon um ein kleines Stück überholt, aber seine Männer schafften es jetzt, dieselbe Geschwindigkeit aufrechtzuerhalten, sodass die zwei Männer während der Weiterfahrt ihre gebrüllte Konversation fortsetzen konnten.
    »Sie wissen es nicht? Die Engländer liegen vor Manhattan. Die ganze Flotte.«
    Dann war die englische Flotte also doch gekommen. Er hatte nichts davon gehört, aber das war nicht weiter verwunderlich. Die Menschen von Neu-Amsterdam hatten höchstwahrscheinlich einen reitenden Boten nach Fort Oranje geschickt, um den Gouverneur zu informieren, der jetzt, von der Ebbe unterstützt, flussabwärts jagte. Die Nachricht würde sich zweifellos bald auch unter den Indianern verbreiten – eine Weile würde es allerdings schon noch dauern.
    Die Engländer hatten offensichtlich gelogen. Er dachte an den jungen Burschen aus Boston. Hatte Tom gewusst, dass sie kommen würden? Bestimmt. Deswegen zögerte er auch, als van Dyck nach der Flotte fragte.
    »Und was werden wir unternehmen?«, schrie van

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