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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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mit dem Aufzug vom siebten Stock heruntergekommen waren. »Die Kisten mit Baumwollresten haben Feuer gefangen«, sagte sie ihm. »Die sind in Flammen aufgegangen, als wären sie Petroleum.«
    »Was ist mit den Mädchen von den anderen Stockwerken?«, fragte er. Doch sie wusste es nicht.
    Immer mehr Löschwagen fuhren vor. Man musste schon zugeben, dass ihre schnelle Reaktion beeindruckend war. Feuerwehrleute – es schien sich dabei größtenteils um Iren zu handeln – schlossen Schläuche an Straßenhydranten an und zogen sie in das Gebäude.
    Sie ließen niemanden hinein. Salvatore blieb nichts anderes übrig, als von einem zum anderen Eingang zu hasten und zu versuchen, von den Mädchen, die immer noch herauskamen, oder von zufällig aufgeschnappten Bemerkungen der Feuerwehrleute etwas zu erfahren.
    Die fabrikeigene Feuerlöschanlage, hatte er gehört, funktionierte nicht, aber der Druck in den Hydranten war gut. Der Brand war im siebten Stock ausgebrochen, der jetzt ganz in Flammen stand, und die Feuerwehrleute kamen daran nicht vorbei. Jemand sagte, es gebe eine Feuerleiter, die den Lichtschacht in der Mitte des Blocks hinab führte. Doch sie war eingestürzt. Ein paar Mädchen hatten es geschafft, über sie niedrigere Geschosse zu erreichen, aber dann war sie abgerissen, und etliche weitere Mädchen waren mit ihr in die Tiefe gestürzt. Jetzt quollen aus den oberen Fenstern zur Greene Street hin Rauch und Flammen heraus.
    Salvatore sah Leute zum Dach zeigen, und er lief ein Stück zurück, um besser sehen zu können. Eine Schar von Arbeiterinnen stand auf dem Dach, und vom angrenzenden Gebäude der New York University, das etwas höher war, hatten Leute Leitern hinuntergelassen, um ihnen die Flucht zu ermöglichen. Waren die Mädchen vom achten Stock dort hinaufgestiegen? Wer konnte das wissen?
    Er ging zurück zum Garibaldi-Denkmal.
    »Wo ist Anna?«, fragte Angelo mit weit aufgerissenen Augen.
    »Sie kommt schon noch.«
    »Wo ist sie?«
    »Vielleicht kommt sie mit dem Aufzug herunter, einige der Mädchen gehen allerdings über das Dach. Wenn wir hier warten, findet sie uns schon.«
    »Ist sie in Gefahr?«
    »Nein.« Salvatore versuchte zu lächeln. »Guck doch die ganzen Löschwagen und Feuerwehrleute, und die vielen Leute, die rauskommen.«
    Angelo nickte. Aber er sah dennoch ängstlich aus.
    Dann sah Salvatore sie. Anna stand an einem der Fenster im achten Stock. Auch an den anderen Fenstern dieses Geschosses erschienen immer mehr Mädchen. Sie wirkten irgendwie verschwommen, und dann begriff er, dass der Raum hinter ihnen voll Rauch war. Eines der Mädchen öffnete ein Fenster, und etwas Rauch drang heraus. In der höhlenartigen Halle hinter ihnen flackerte es schwach. Die Flammen hatten offenbar dieses Geschoss erreicht.
    Warum standen die Mädchen an den Fenstern? Waren sie eingeschlossen? Es musste allmählich heiß da drin werden. Sehr heiß.
    Das Mädchen stieg hinaus auf den Fenstersims. Oberhalb des achten Stockwerks lief ein wuchtiges, ein, zwei Fuß breites Gesims rund um das Gebäude. Das Mädchen schaute hinauf. Vielleicht fragte sie sich, ob sie irgendwie da hochkommen und sich von dort aus in Sicherheit bringen konnte. Vielleicht wusste sie nicht, dass das Feuer auch schon den neunten Stock erreicht hatte. Aber die Geschosshöhe in dem Gebäude betrug zwölf Fuß; sie hätte es ohnehin nie hinaufgeschafft.
    Jetzt gingen auch weitere Fenster auf, und weitere Mädchen stiegen vorsichtig auf den Sims. Ein junger Mann trat ebenfalls hinaus. Sie schauten alle nach unten; die Straße lag hundert Fuß tiefer. Jetzt konnte man hinter ihnen die Flammen sehen. Offensichtlich hielten sie die Hitze in der Halle nicht mehr aus.
    Die Feuerwehrleute sahen sie und richteten einen der Schläuche auf sie. Der Wasserbogen schoss himmelwärts, aber bei hundert Fuß Höhe war er schon nicht mehr als ein bloßes Geriesel. Sie fuhren eine Feuerleiter die Wand hinauf, jedoch ohne Erfolg – sie war dreißig Fuß zu kurz. Die Leiter ruhte dort, verführerisch und nutzlos zugleich. Jetzt spannten sie Netze über dem Bürgersteig aus. Die Menschen auf den Fenstersimsen schauten auf sie hinunter. Würden die Netze halten, wenn sie sprangen? Es ging furchtbar tief runter. Die Feuerwehrleute schienen sie nicht zum Springen aufzufordern. Sie zögerten.
    Dann sah Salvatore, dass Anna in ihre Richtung schaute. Von dort oben aus konnte sie das Garibaldi-Denkmal sehen, und offenbar versuchte sie, ihn und Angelo auszumachen.

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