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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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verbrannten.
    Bislang hatte der ferne innereuropäische Konflikt die Masters nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ja, William Master hatte verblüfft festgestellt, dass er gut daran verdiente. 1914 war die Börse ein paar Monate lang geschlossen geblieben, dafür hatte sich ein lebhafter Markt für Kriegsanleihen entwickelt, und schon bald waren mit der Belieferung der kriegführenden Nationen Europas gewaltige Geschäfte zu machen gewesen. Die amerikanische Industrie machte nach wie vor rasante Fortschritte; Henry Ford produzierte mit seinen neuen Montagestraßen Automobile buchstäblich am laufenden Band.
    Ja, die größte unmittelbare Sorge, mit sich der Rose und William konfrontiert sahen, war ihr Sohn Charlie.
    Zumindest würde er nicht eingezogen werden. Das Registrierungsgesetz vom Mai 1917 betraf nur Männer im Alter von einundzwanzig bis einunddreißig. Doch Charlie hatte seinen Eltern viele andere Gründe gegeben, sich Sorgen zu machen.
    Rose etwa war tief bekümmert gewesen, als Charlie darauf bestanden hatte, statt nach Harvard auf die Columbia University zu gehen. »Er möchte gern in New York bleiben«, hatte ihr Mann ihr erklärt. »Ich weiß«, hatte sie geantwortet. »Das macht mir ja gerade Sorge!« Ganz abgesehen davon, dass Harvard Harvard war, nahm sie auch an, dass Charlie in Boston weniger Gelegenheit gehabt hätte, in Schwierigkeiten zu geraten. »Ich habe einfach Angst, dass er unpassende Freundschaften schließen wird.«
    Schon bevor er sich an der Columbia University einschrieb, hatte Charlie ein frühreifes Interesse für das Nachtleben der Metropole an den Tag gelegt. Er verschwand einfach im Theaterdistrikt oder in Greenwich Village, und keiner wusste mehr, wo er war. Mehr als nur einmal war er betrunken heimgekommen.
    »Und dennoch«, merkte seine Mutter ganz richtig an, »ist er im Grunde noch ein Kind.«
    Was seine Ansichten anbelangte, war er äußerst wechselhaft. Er hatte ihr bereits erklärt, die russischen Bolschewiken kämpften für eine edle Sache; schon am nächsten Tag sagte er, er spiele mit dem Gedanken, sich an einem Antikriegsprotest zu beteiligen. Seine Überzeugungen und Leidenschaften schienen sich wöchentlich zu ändern.
    William mochte das alles amüsant finden, aber ihr selbst war sehr wohl bewusst, dass Nicholas Murray Butler von der Columbia fest entschlossen war, dafür zu sorgen, dass seine Universität in dieser kritischen Zeit als vaterländisch und politisch korrekt angesehen wurde. Er hatte Fakultät und Studentenschaft gewarnt, dass jeder, der öffentlich gegen den Krieg protestierte, von der Hochschule verwiesen werden würde, und Charlie hatte gestanden, dass zwei seiner Freunde tatsächlich zwangsexmatrikuliert worden waren. Rose lebte in der ständigen Angst, er könnte eines Tages nach Haus kommen und ihr mitteilen, dass ihm das Gleiche widerfahren war.
    »Ach«, sagte William vergnügt, »sollte Charlie je in Schwierigkeiten geraten, bin ich sicher, dass du die Sache bei Butler leicht ausbügeln kannst. Lad ihn doch einfach zu einer deiner Gesellschaften ein!«
    Es stimmte schon, dass Rose Master mittlerweile durchaus eine Macht darstellte, mit der man rechnen musste. Nach dem Tod der alten Hetty Master hatten Williams Eltern eine recht ordentliche Menge Geld geerbt. Und als vor ein paar Jahren Williams Mutter gestorben und Tom Master ihr keine zwölf Monate später gefolgt war, hatte das frei gewordene Treuhänderdepot William und Rose in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gebracht, mit dem sie nach Gutdünken schalten und walten konnten.
    Kürzlich waren sie in ein erheblich größeres Stadthaus umgezogen, gerade um die Ecke von der Fifth Avenue, in den Sixties, nur ein paar Blocks von Henry Fricks prächtigem neuem Palais entfernt. Das Haus besaß neben einer schönen klassizistischen Fassade noch ein besonderes Merkmal, das vom Verleger Mr Scribner, dessen Haus nicht weit davon entfernt stand, kopiert worden war. Die meisten Leute, die Automobile besaßen, stellten diese in – mehr oder weniger nahe gelegenen – umgebauten Remisen unter, doch das neue Haus der Masters wies eine breite Toreinfahrt auf, die in einen kleinen Innenhof führte, von wo aus das Automobil über einen Privataufzug in eine unterirdische Garage gelangte. William hatte sich außerdem einen neuen Rolls-Royce gekauft, den Sedanca de Ville, der jetzt dort residierte.
    Wenn Rose sich im Verlauf des letzten Jahrzehnts den Ruf einer glänzenden, dabei aber

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