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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Fifth Avenue bis zum Washington Square hinunter, dann die Sixth wieder hinauf und Central Park South entlang, am Plaza Hotel vorbei zur Fifth zurück. William bereitete es offensichtlich Vergnügen, seinen Wagen zu chauffieren, und er schwärmte Keller gegenüber von den vielen technischen Raffinessen. Sie kehrten in den Hof zurück, fuhren mit dem Aufzug hinunter in die Garage und stießen schließlich, mit von der Abendluft geröteten Wangen, im Salon zu Rose. Augenblicke später wurde zum Dinner gebeten.
    Sie aßen im Speisezimmer. Der Tisch war nicht ausgezogen, und so waren sie, trotz der förmlichen Bedienung, ganz unter sich. Der Professor saß zwischen William und Rose, dem jungen Charlie gegenüber.
    Die Konversation war zwanglos. Er versicherte Rose, wie sehr er das Automobil bewundere, dann kam Charlie auf das Thema Theodor Keller und dessen photographische Arbeiten zu sprechen und hob namentlich das herrliche Bild der Niagarafälle hervor, das Williams Großvater in Auftrag gegeben hatte. Theodor Keller war mittlerweile Ende siebzig, und nach dem Tod des alten Mannes, erklärte Edmund, würde er zum Sachwalter des vollständigen Werkes seines Vaters werden. »Es ist ein regelrechtes Archiv«, bemerkte er. Dies führte zu einem Exkurs über den Bürgerkrieg, der zwanglos zum gegenwärtigen Krieg mit Deutschland überleitete.
    William und Edmund diskutierten darüber, ob es den Konvois gelingen würde, im Atlantik an den feindlichen Unterseebooten vorbeizukommen, und alle fragten sich, wie lang der Krieg wohl noch dauern würde. Dann gab Keller zu bedenken, dass der Krieg nicht nur einen entsetzlichen Verlust an Menschenleben bedeute, sondern auch eine kulturelle Tragödie darstelle. Denn kaum hatten die Vereinigten Staaten dem Deutschen Reich den Krieg erklärt, war eine hässliche deutschlandfeindliche Hysterie ausgebrochen. Alles, was irgendwie deutsch klang, stand jetzt unter Generalverdacht. Deutschsprachige Zeitschriften erschienen nicht mehr, und in Großbritannien, erzählte Keller, war sogar der Justizminister zum Rücktritt gezwungen worden, weil er in einem unbedachten Augenblick erklärt hatte, er sei nach wie vor ein Bewunderer der deutschen Musik und Philosophie.
    »Und was ist mit mir?«, sagte er. »Meine Vorfahren waren Deutsche, und ich werde gewiss nicht wegen des Krieges aufhören, mir Beethoven anzuhören oder Goethe und Schiller zu lesen. Das wäre absurd. Ich spreche sogar Deutsch!«
    »Wirklich?«, sagte William.
    »Ja. Mein Vater konnte kaum ein Wort. Aber vor ein paar Jahren habe ich begonnen, mich für die deutsche Literatur zu interessieren, und wollte sie im Original lesen, also nahm ich regelmäßig Unterricht. Mittlerweile spreche ich es fast flüssig.«
    Schließlich redeten sie über die Abstinenzbewegung, die in letzter Zeit recht aggressiv auftrat.
    »Ich verabscheue diese fanatischen Antialkoholiker!«, erklärte Charlie leidenschaftlich. Sein Vater lächelte und bemerkte, das wundere ihn überhaupt nicht. Daraufhin erkundigte sich Keller höflich, wie Rose darüber denke.
    »Wir gehören der Episkopalkirche an«, antwortete sie ruhig. Keller musste schließlich wissen, dass Leute wie sie nichts mit diesen immer lauter werdenden Rufen nach der Prohibition – die mittlerweile sogar den Kongress erreicht hatten – zu schaffen haben wollen. Die ganze Angelegenheit wurde von den Methodisten, Baptisten, Kongregationalisten und Glaubensgemeinschaften vorangetrieben, die ihre Anhänger größtenteils aus anderen Gesellschaftsschichten rekrutierten.
    »Die Ironie bei der Sache«, sagte William, »ist doch die, dass wir die Prohibition, sollte das Gesetz wirklich verabschiedet werden, dem Krieg zu verdanken haben. Die Episkopal- und die katholische Kirche mögen die Idee nicht unterstützen, aber die effektivste Lobbyarbeit gegen sie ist schon immer von den Brauereien geleistet worden, die sich ja größtenteils im Besitz von Familien mit deutschen Namen befinden. Und wie Sie ganz richtig sagen, Keller, ist zur Zeit alles Deutsche so unpopulär, dass keiner mehr auf sie hören will. Es ist wirklich absurd.«
    Und was hielt seine Gastgeberin vom Frauenwahlrecht, fragte Keller.
    »Vom Frauenwahlrecht?« Rose schwieg kurz. Alva Belmonts Kampagne hatte einige Fortschritte gemacht, wenn auch die Suffragetten jetzt, da der Krieg die ganze öffentliche Aufmerksamkeit beanspruchte, weniger in Erscheinung traten. Es war Rose zwar zuwider, auf derselben Seite wie Alva Belmont zu stehen,

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