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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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besonnenen, zu keinerlei neureicher Verschwendungssucht neigenden Gastgeberin erworben hatte, war es ihr nunmehr möglich, sich in weitaus großzügigerem Maßstab auf diesem Gebiet zu betätigen. Und durch ihre Einladungen konnte sie in der Tat einen überraschend starken Einfluss ausüben.
    Dabei blieb sie sich ihrer Grenzen durchaus bewusst.
    »Wenn Charlie ernsthaft Nicholas Murray Butler verärgert«, sagte sie, »glaube ich nicht, dass ich ihn noch retten könnte.«
    Und jetzt, befürchtete sie, stand Charlie kurz davor, einen gefährlichen Fehler zu begehen.
    *
    Und so ließ ihr Ton keinerlei Zweifel zu, als sie Charlie eines Novemberabends erklärte: »Nein, Charles, ich werde diesen Mann nicht in meinem Haus empfangen.«
    »Aber Mutter«, protestierte er, »ich habe ihn doch schon längst eingeladen!«
    Warum Charlie sich von all den interessanten Leuten, die an der Columbia University lehrten, ausgerechnet Edmund Keller zum Helden auserkoren hatte, war ihr ein Rätsel. Was Rose Master selbst anbelangte, war die Beziehung zwischen den zwei Familien mit der alten Hetty gestorben. Doch als Charlie ein, zwei Monate zuvor den beliebten Dozenten kennengelernt und Keller sich mit Herzlichkeit an die Rolle erinnert hatte, die die Familie Master in der beruflichen Laufbahn seines Vaters gespielt hatte, war Charlie hocherfreut gewesen.
    »Mir ist eingefallen, dass wir noch Fotografien seines Vaters haben«, sagte er zu seiner Mutter. »Er hat mich sogar gefragt, ob ich ein Förderer der Künste zu werden gedächte.«
    »Er versucht, dir zu schmeicheln.«
    »Er ist nicht so«, sagte Charlie ungehalten. »Du verstehst nichts. Keller ist eine ziemlich große Nummer an der Columbia; er braucht uns nicht.«
    Es traf zu, dass Butler – mit ihrer Ansicht nach bewundernswerter Selbstverleugnung – Mr Keller gestattet hatte, seine akademische Laufbahn fortzusetzen, und dass Keller inzwischen einiges Ansehen genoss. Trotzdem blieben zwei Tatsachen bestehen. Erstens war Edmund Keller früher – und zweifellos nach wie vor – Sozialist. Zweitens ließ sich ihr Sohn viel zu leicht beeinflussen.
    Und jetzt meinte Charlie in einem Anfall kindlichen Schwachsinns den Mann zu einer ihrer exklusiven Gesellschaften einladen zu müssen! Doch als sie Charlie jetzt ins blond-blauäugige Angesicht schaute, kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht besser wäre, diplomatisch vorzugehen. Keller musste erledigt werden, das sicher – aber auf eine Weise, die ihren Sohn nicht gegen sie aufbrachte.
    »Er würde sich auf so einem Fest gar nicht wohlfühlen, Charlie«, sagte sie. »Aber ich weiß etwas Besseres. Bitte ihn doch zu uns zum Essen, ganz unter uns, sodass wir ihn besser kennenlernen und uns unterhalten können.«
    Eine Woche darauf klingelte Edmund Keller, angemessen in Dinnerjacket und schwarze Schleife gekleidet, an ihrer Tür. Als Charlie vorgeschlagen hatte, er könnte zu einer Gesellschaft ins Haus seiner Eltern kommen, war er ein bisschen unsicher gewesen. Er erinnerte sich, dass Rose seine Ansichten früher einmal als sozialistisch bezeichnete – wenngleich es während einer Diskussion geschehen war und schon Jahre zurücklag –, aber er nahm an, dass sie ihn nicht sonderlich schätzte. Als ihm dann die Einladung zu einem Abendessen im engsten Familienkreis angetragen wurde, sah er das als Zeichen, dass seine Befürchtungen völlig unbegründet gewesen waren.
    Edmund war kein Dummkopf, doch die Welt, in der er lebte, funktionierte nach anderen Regeln als diejenige von Rose. Er wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass eine Einladung zu einem Essen im engsten Familienkreis keine Auszeichnung darstellte, kein Ausdruck von Wertschätzung war, sondern im Gegenteil zu verstehen gab, dass sie ihn nicht mit ihren Freundinnen und Freunden zusammenbringen wollte. Daher war er ganz vergnügt und fidel und ahnte nichts von seinem Unerwünschtsein.
    Das Erste, was geschah, war, dass er Charlie und seinem Vater im Hof begegnete. Sie waren beide in Abendkleidung, aber William schickte sich gerade an, das Automobil unterzustellen. Sie verbrachten ein paar äußerst angenehme Minuten mit Fachsimpeleien über den Rolls-Royce, und dann fragte William ihn, ob er Lust auf eine kleine Spritztour habe. Keller entgegnete höflich, ob sie damit die Gastgeberin nicht warten ließen, doch da William wusste, dass Keller von ihr aus ruhig nach Panama hätte fahren können, versicherte er dem Besucher, dass das in Ordnung sei. Also fuhren sie die

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