Im Rausch der Freiheit
Mann teilen seine Begeisterung für Rolls-Royce-Automobile«, fuhr sie sanft fort. »Mr Keller ist ja ein richtiger Anglophile.«
»Ah.« Elihu Pusey blickte sie scharf an. Er schwieg einen Moment. »Kennen Sie ihn gut?«
»Nicht besonders gut, aber ich weiß viel über ihn. Die Eltern meines Mannes, Frank und Hetty Master, haben seinen Vater, den Photographen, in seiner Anfangszeit sehr gefördert.«
»Ich verstehe. Master.« Sie sah ihm an, dass er sich alles ins Gedächtnis rief, was er über den Namen wusste. »Dann sind Sie jene Mrs Master, die gerade um die Ecke von der Fifth Avenue wohnt? Ich habe schon viel von Ihren Abendgesellschaften gehört.«
»Das freut mich. Könnte ich Sie vielleicht dazu überreden, an einer davon teilzunehmen?«
»Aber gewiss!« Er wirkte plötzlich heiter. Ob es die Aussicht auf ein Dinner war oder, wahrscheinlicher, ob er ihren Ruf als Frau mit gesunden, konservativen Ansichten kannte -jedenfalls schien Elihu Pusey jetzt bereit zu sein, mehr von dem preiszugeben, was ihn im Augenblick beschäftigte. »Vielleicht«, sagte er leise, »könnten Sie mir Ihren Rat bezüglich einer recht heiklen Angelegenheit geben. Im Vertrauen, meine ich.«
»Menschen in meiner Stellung kennen den Wert der Diskretion, Mr Pusey.«
»Durchaus. Die Sache ist die, dass ich beabsichtigte, ein Empfehlungsschreiben für den jungen Keller abzufassen.«
»Ich verstehe.«
»Doch zuvor, dachte ich, sollte ich ein paar weitere Erkundigungen einziehen. Er ist, soweit mir bekannt, deutscher Abstammung. Und er spricht sogar Deutsch. Und da habe ich mich gefragt, ob es unter den gegenwärtigen Umständen …«
Sie konnte sich ganz genau vorstellen, welche Bedenken Elihu Pusey hegte. Er stellte sich diese Oxford-Colleges vor, dachte sie, und was es für seinen Ruf bedeuten würde, wenn Keller auf seine Empfehlung hin dort ankäme und gäbe deutschlandfreundliche Äußerungen von sich.
»Ich erinnere mich, gehört zu haben, dass Edmund Keller im Zusammenhang mit seiner Forschungsarbeit Deutsch lernen musste«, sagte Rose sanft. »Soweit mir bekannt ist, spricht er mehrere Sprachen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass sein Vater Theodor Keller nicht ein einziges Wort Deutsch spricht. Die Familie ist so amerikanisch wie – ich weiß nicht, die Astors oder Hoovers oder Studebakers.«
»Ach.« Elihu Pusey zögerte. »Da gibt es aber noch ein weiteres, vielleicht ernsteres Problem. Ich sprach mit Nicholas Murray Butler, und er äußerte mir gegenüber eine gewisse Sorge. Er befürchtete, dass manche von Mr Kellers Ansichten etwas …« – der alte Mann mochte das Wort kaum in den Mund nehmen – »sozialistisch sein könnten.«
Wenn je Verstellung angebracht gewesen war, dann jetzt. Einen ganz kurzen Augenblick lang sah Rose vollkommen verblüfft aus.
»Sozialistisch?«
»Ja.«
Sie lächelte. »Sie kennen Mr Butler zweifellos gut, Mr Pusey, und er ist ein rechtschaffener Mann, zweifellos, aber leider nicht frei von Vorurteilen.«
»Stimmt.«
»Nun, ich weiß von meinem Sohn, dass Mr Keller in seinen Vorlesungen stets peinlich darauf bedacht ist, beide Standpunkte zu einem Problem vorzutragen. Und ich kann mir vorstellen, dass Mr Butler, wenn er von jemandem wenig hält« – sie zuckte die Achseln – »ich weiß nicht, ihm etwas … unterstellen würde. Doch eines kann ich Ihnen versichern: Wäre Mr Keller wirklich Sozialist, hätte er mein Haus niemals betreten!«
»Butler kann in der Tat unangemessen voreingenommen sein«, pflichtete Pusey ihr bei. »Aber sind Sie sich Kellers persönlicher Ansichten auch wirklich sicher?«
»Das bin ich, und zwar aus folgendem Grunde, Mr Pusey. Erst vor ein paar Jahren, als es diesen ganzen Ärger mit den streikenden Näherinnen gab, war ich bei einem Mittagessen im kleinen Kreis zu Gast. Und da hörte ich Mr Keller – äußerst entschieden – gegen die Streikenden Stellung beziehen. Er erklärte allen Anwesenden mit den deutlichsten Worten, dass die streikenden Näherinnen von Sozialisten und Russen und Anarchisten aufgewiegelt worden seien und dass wir ihnen deshalb keinerlei Beachtung schenken sollten. Ich erinnere mich sehr gut daran. Und wie recht er hatte mit dieser Einschätzung, das sah man später.«
Und nachdem sie sich dieser ungeheuerlichen, rotzfrechen Lüge entledigt hatte, nickte sie Mr Pusey bedeutungsvoll zu. »So viel«, sagte sie trocken, »zum Thema Nicholas Murray Butler.«
»Ah!« Elihu Pusey sah unendlich befriedigt aus. »Sie waren mir
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