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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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eine große Hilfe, Mrs Master. Eine wirklich große Hilfe.«
    *
    Ein paar Monate später teilte Charlie ihr mit, dass Edmund Keller nach Oxford gehen würde.
    »Ich weiß, es war das, was er sich wünschte«, sagte sie mit einem Lächeln.
    Dreitausend Meilen von ihrem leicht zu beeinflussenden Sohn entfernt – mehr konnte sie sich gar nicht wünschen! Aber das würde ihr kleines Geheimnis bleiben.
    »Und Keller sagt, dass du bei dem Mann, der ihn empfohlen hat, ein gutes Wort eingelegt hättest. Du hast mir nie was davon erzählt. Keller ist dir äußerst dankbar.«
    »Es war nichts weiter. Ich habe Mr Pusey nur zufällig auf einem Empfang kennengelernt, das ist alles.«
    »Ich weiß, dass du Mr Keller früher nicht sonderlich sympathisch fandest. Du musst deine Meinung geändert haben, nachdem er bei uns zum Essen war.«
    »Offenbar.«
    »Ich bin sehr beeindruckt, dass du das geschafft hast. Deine Meinung zu ändern, meine ich.«
    »Ich danke dir.«
    »Eines kann ich dir verraten.«
    »Was denn, Charlie?«
    »Edmund Keller«, sagte er und strahlte sie an, »ist jetzt dein Freund fürs Leben!«
1925
    Seltsamerweise waren es weder Annas Tod noch der Krieg, auch nicht das bizarre und für jeden, der aus einem Wein produzierenden Land stammte – unbegreifliche neue Gesetz, das den Amerikanern verbot, alkoholische Getränke zu konsumieren, ja nicht einmal die zunehmende Entfremdung Paolos von seinen Eltern, was das Leben der Familie Caruso entscheidend veränderte, sondern sein ältester Bruder Giuseppe und die Long Island Rail Road.
    Diese LIRR galt als Meilenstein des Fortschritts, eine riesige, komplexe Verschmelzung von Eisen- und Straßenbahnenlinien – darunter welche, die fast ein Jahrhundert alt waren. Das gewaltige Schienennetz zog sich von Pennsylvania über Manhattan bis hin nach Long Island. Durch die Penn Station in Manhattan und den großen Knotenpunkt in Jamaica, Long Island, strömten jetzt Millionen von Pendlern. Gebaut wurde dieses sich immer weiter ausdehnende Eisenbahnnetz hauptsächlich von Italienern.
    Was zur Folge hatte, dass sich in vielen Orten entlang der reizvollen Südküste Long Islands italienische Gemeinden ansiedelten.
    Unmittelbar nach Amerikas Kriegseintritt, noch vor Einführung der Wehrpflicht, hatte Giuseppe Caruso beschlossen, zum Militär zu gehen. Sein Vater war von der Idee nicht so begeistert gewesen, aber Giuseppe hatte ihm erklärt: »Wir sind Italiener, Papá. Nach wie vor Außenseiter. Wir müssen beweisen, dass die Italiener gute Amerikaner sind wie alle anderen auch. Und da ich der älteste Sohn bin, ist es richtig, wenn ich zum Militär gehe.«
    Salvatore sollte nie den Tag vergessen, an dem sein großer Bruder unversehrt zurückkam und – von allen Nachbarn mit lächelnden Mienen und Glückwünschen, ja sogar von einem zufällig vorbeischlendernden irischen Polizisten mit einem freundlichen Nicken begrüßt – in seiner Uniform die Mulberry Street entlangschlenderte. Und vielleicht war das der Augenblick, in dem Salvatore wirklich zu einem Amerikaner wurde: als er voll Stolz seinen Bruder betrachtete, der durch seinen Militärdienst bereits mit gutem Beispiel vorangegangen war.
    Kurz nach seiner Rückkehr beschloss Giuseppe, sich einer Gruppe von Kriegskameraden anzuschließen, die an der Long Island Rail Road arbeiten wollten. Und es verging kein Jahr, bis ihn einer seiner Arbeitskollegen mit einem netten italienischen Mädchen bekannt machte. Ihre Familie wohnte auf Long Island in der Nähe von Valley Stream, aber was die Carusos wirklich beeindruckte, war die Tatsache, dass sie Land besaßen.
    Nicht viel, sicher, aber man brauchte auch kein Latifundium, um ein bisschen Gemüse anzubauen. Mittlerweile ließen sich viele Italiener als Kleinbauern auf Long Island nieder. Eine geschäftstüchtige Familie namens Broccoli, die das gleichnamige Gemüse anbaute, hatte bereits Lieferverträge mit einigen der besten Restaurants von New York abgeschlossen.
    Die Familie des Mädchens verfügte über ein bescheidenes Auskommen. Was noch besser war – da es keine Brüder gab, würden Giuseppe und sie, auf die altmodische Weise, eines Tages den Hof von ihren Eltern übernehmen. Und die Familie Caruso würde dann wieder das machen, wozu sie bestimmt war: den Boden zu bestellen.
    Die Hochzeit wurde so traditionell gefeiert wie eine Dorfhochzeit in der Heimat. Noch vor Ablauf eines Jahres zogen Giovanni und Concetta Caruso nach Long Island. Sie konnten es sich nicht leisten, sich

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