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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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würde. Vorläufig machte er einmal die Woche einen Abstecher in den alten Tenderloin-Distrikt, am Broadway in den Thirties. Es gab zwar auch in Little Italy jede Menge Prostituierte, aber er zog es vor, diese Seite seines Lebens für sich zu behalten. Onkel Luigi wusste, was er tat, und ermahnte ihn immer, sich in Acht zu nehmen. »Weißt du«, sagte er ihm, »dass die es im Krieg unseren Soldaten so schwergemacht haben, an Gummis ranzukommen, dass fast drei Viertel unserer Jungs sich was geholt haben?« Er verriet ihm sogar, wo er die aus Latex kaufen könne. Salvatore schützte sich. Wie er seinem Onkel achselzuckend erklärte: »Huren kosten Geld, aber es ist immer noch besser, als durchzudrehen.«
    Salvatore konnte sich nicht erklären, warum Angelo so wenig Kontakt zu Frauen hatte. Vielleicht war er zu schüchtern. Salvatore fragte sich, ob er da nicht etwas unternehmen sollte, aber Onkel Luigi riet ihm, sich besser rauszuhalten.
    Was Onkel Luigi Kummer bereitete, war nicht Angelos Freizeit, sondern seine Arbeit. Als Salvatore Maurer geworden war, hatte sich Angelo ihm wie selbstverständlich angeschlossen, und ob es nun an den Hanteln lag, mit denen er noch immer trainierte, oder nicht, hatte er sich schon zu einem recht drahtigen jungen Mann entwickelt, so dass er die körperliche Arbeit ohne Schwierigkeit bewältigen konnte.
    »Aber er sollte nicht mauern!«, protestierte Onkel Luigi oft. »Er hat Talent.« Onkel Luigi mochte inzwischen seinen albernen Traum aufgegeben haben, Angelo könnte Architekt werden, aber es gab noch andere Dinge, die der junge Mann hätte werden können: Anstreicher, Raumgestalter, irgendetwas, bei dem er wenigstens die Begabung einsetzen könnte, die Gott ihm geschenkt hatte. Wie es aussah, zog es Angelo allerdings vor, mit seinem Bruder zu arbeiten. Das Zeichnen hatte er aber nie aufgegeben. Nach dem Abendessen ging Salvatore häufig noch ein bisschen aus, aber Angelo blieb am Küchentisch sitzen, um gelegentlich ein Buch zu lesen, meistens aber um zu zeichnen. Und dabei nahm das Gesicht des jungen Mannes einen Ausdruck von konzentrierter Leidenschaft an. Manchmal kam Salvatore früher nach Haus und war ins Zimmer getreten und stand schon ein paar Minuten neben Angelo, bevor dieser seine Anwesenheit bemerkte. Onkel Luigi hatte ein paar seiner Zeichnungen genommen, sie gerahmt und an Gäste im Restaurant verkauft. Aber seine Versuche, Angelo zu überreden, Aufträge für Zeichnungen anzunehmen, hatten bislang nichts gefruchtet. »Bezahlt werde ich fürs Mauern«, sagte er zu seinem Onkel lächelnd, »und danach kann ich zeichnen, was ich will.«
    Zumindest gab es keinen Mangel an Arbeit. Vielleicht lag es am Krieg, dass Amerika plötzlich argwöhnisch gegenüber Fremden war, überlegte Salvatore -jedenfalls hatte die Regierung Einwandererquoten aufgestellt. Abgesehen von den Schwarzen, die in großer Zahl vom Süden heraufkamen, war die einstige Flut von Einwanderern zu einem Rinnsal abgeebbt. Und die Stadt boomte. Die Löhne waren gut und wurden immer besser.
    Jahre verstrichen. 1925 waren Salvatores Ersparnisse bereits so weit angewachsen, dass er anfing sich zu fragen, ob er nicht vielleicht langsam auf Brautschau gehen könnte.
    *
    An einem kalten Dezembertag ging er gerade die Sixth Avenue entlang, als er Paolo begegnete. In dem zweireihigen Mantel und Bowler sah sein Bruder richtig elegant aus. Man hätte ihn für einen Bankier halten können. Oder einen Gangster. Er schien sichtlich überrascht, Salvatore zu sehen, aber dann grinste er.
    »Du hast dir den richtigen Treffpunkt ausgesucht, Junge«, sagte er. »Komm mit rein, was essen.« Das Fronton befand sich in einem Untergeschoss an der Sixth Avenue, einen Block westlich vom Washington Square. Von Jack Kriendler und Charlie Berns betrieben war es eine der besten Flüsterkneipen der Stadt. Salvatore fiel auf, dass die Tür aufging, kaum dass Paolo sich vor das Guckloch, durch das Gäste identifiziert wurden, gestellt hatte, und dass sein Bruder mit Namen begrüßt wurde.
    Das Restaurant lag in einem geräumigen Keller. Weiß gedeckte Tische standen dicht an dicht. An einer Seite des Raumes zog sich ein Tresen hin, und an den Wänden hingen Bilder vom Wilden Westen. Das Lokal füllte sich bereits mit dem typischen Mittagspausenpublikum, und Salvatore bemerkte ein, zwei wohlbekannte Gesichter. Paolo bekam sofort einen Tisch. Sie bestellten Steaks, und während sie warteten, bekamen sie irischen Whiskey serviert. Salvatore

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