Im Rausch der Freiheit
Teresa geredet und ihr von dem Todesfall erzählt, aber nicht vorgeschlagen vorbeizukommen.
Angelo sah blass aus. Seine Mutter erlaubte ihm nicht, solange es kalt war, aus dem Haus zu gehen, und so verbrachte er einen Teil des Tages im Bett, wirkte jedoch trotzdem nicht niedergeschlagen. »Am ehesten«, verriet er Salvatore, »würde ich sagen, dass ich mich langweile.« Er hatte sich alle möglichen Zeitungen und Journale beschafft, darunter auch einige ältliche Exemplare. Er zeigte auf einen großen Stapel und erklärte, er habe sie alle gelesen.
Onkel Luigi entschied, dies sei eine günstige Gelegenheit, sein Lieblingsthema, die Mehrung der Finanzen, anzusprechen, und führte ein langes Gespräch mit Angelo über die mögliche Investition seiner Ersparnisse. Überraschenderweise sagte Angelo: »Vielleicht hast du recht. Das sollte ich wirklich machen.« Und er hörte seinem Onkel über eine Stunde lang äußerst aufmerksam zu, von Zeit zu Zeit ernsthaft nickend. »Ich habe nur wenig, das ich investieren könnte«, sagte er, aber als sein Onkel fragte, wie viel, lächelte er nur freundlich und sagte: »Ein bisschen.«
»Er ist genau wie ich!«, rief Onkel Luigi entzückt aus. »Keinem erzählen, wie viel man hat. Sollen die Leute sich ruhig den Kopf zerbrechen!«
Zu Onkel Luigis Angebot, ihm bei allen Transaktionen zu helfen, sagte Angelo, sein Onkel könne ihn mit einem vertrauenswürdigen Mann in Verbindung bringen, der etwaige Aktienkäufe für ihn erledigte, wobei er allerdings alle konkreten Entscheidungen selbst treffen würde. Er sagte das so ruhig, dass Salvatore beeindruckt war. Sein kleiner Bruder schien allmählich erwachsen zu werden.
Giuseppe und seine Frau hatten Angelo dazu überredet, eine kleine Auftragsarbeit zu übernehmen. Sie wollten, dass er ein schönes Namensschild für die Farm ihrer Eltern malte. Obwohl er es normalerweise ablehnte, auf Bestellung zu arbeiten, willigte er diesmal ein, und überreichte ihnen am Weihnachtstag das Ergebnis. Das Stück Holz, das sie ihm gegeben hatten, war jetzt weiß gestrichen, und darauf stand nicht nur mit blauer Farbe der Name Clearwater Farm, sondern dort tummelte sich ein ganzer Miniaturbauernhof, der wie eine Arche Noah auf einem blauen Meer schwamm. Es war so originell und einprägsam, dass alle restlos begeistert waren. Salvatore sah Angelo an, dass er sich durch die Aufmerksamkeit, die seiner Arbeit zuteil wurde, geschmeichelt und erfreut fühlte.
Zwei Tage nach Weihnachten erklärte Angelo allerdings, er fühle sich nicht wohl, und blieb für die restliche Dauer von Salvatores Aufenthalt im Bett.
*
Als Salvatore das nächste Mal, in der dritten Januarwoche, zu seinen Eltern rausfuhr, kam Teresa zusammen mit ihrer Cousine mit dem Fahrrad vorbei. Der Besuch wurde ein großer Erfolg. Teresa verhielt sich seinen Eltern gegenüber höflich und respektvoll. »Man merkt sofort, dass sie aus guter Familie ist«, erklärte seine Mutter. Salvatore bemerkte auch mit Freude, wie lieb und freundlich sie mit Angelo umging. Sie setzte sich zu ihm und unterhielt ihn mit lustigen Geschichten.
Angelo sah mittlerweile ein bisschen besser aus, und sein Husten war fast völlig abgeklungen. Doch er war nach wie vor blass und ging kaum aus dem Haus, sondern verbrachte seine Tage im Sessel. Doch untätig war er dabei offenbar nicht gewesen. Auf dem Tisch, der neben ihm stand, lagen etliche Ausschnitte aus dem Wirtschaftsteil der Zeitungen, und einige davon waren rot umkringelt. Salvatore sah auch Entwürfe für die Gestaltung der Fassade der örtlichen Bäckerei. Das war eine Auftragsarbeit, die ihr Vater ihm besorgt hatte. Viel Geld würde das nicht einbringen, aber Angelo schien froh zu sein, etwas zu tun zu haben. Als Teresa vorschlug, einen der Entwürfe etwas abzuändern, betrachtete Angelo die Zeichnung ein paar Augenblicke lang sehr aufmerksam und sagte dann ruhig: »Nein. Das ist nicht so, wie ich mir das vorstelle«, und für einen Moment sah Teresa ein bisschen eingeschnappt aus. Dann aber lächelte sie und sagte leichthin: »Der Patient weiß, was er will.«
Angelo sagte, er würde gern zwei Porträts zeichnen, eins von ihr und eins von ihrer Cousine, die sie als Geschenk behalten dürften. Darüber freuten sich die Mädchen, und während sie Modell saßen, stattete Salvatore Giuseppe einen kurzen Besuch ab. Anschließend gingen er und Teresa ans Meer, während ihre Cousine bei Angelo blieb und ihm Gesellschaft leistete. Während sie
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