Im Rausch der Freiheit
nicht Nein gesagt.«
»Es sind deine Eltern, stimmt’s? Ich werde mit deinem Vater reden.«
»Nein.« Sie lächelte. »Noch nicht. Lass mir ein bisschen Zeit, Salvatore, und dann werde ich dir meine Antwort geben.«
Mehr sagte sie dazu nicht. Ziemlich verwirrt kehrte er nach New York zurück.
*
Es verstrich eine Woche, ehe er wieder mit ihr sprach. Als er anrief, meldete sie sich gleich selbst. Sie klang sehr freundlich. Doch als er sagte, er überlege sich, am Sonntag nach Long Island rauszufahren, erklärte sie, ihre Eltern bräuchten sie an dem Tag im Haus, also beschloss er, daheimzubleiben.
Am folgenden Donnerstag kam Onkel Luigi ganz aufgeregt nach Hause. Er war von Long Island aus im Restaurant angerufen worden. Die Carusos hatten Besuch bekommen.
»Teresa und ihre Eltern«, erklärte er Salvatore. »Sie ist mit ihnen gekommen, damit Angelo ein Porträt von ihrem Vater zeichnete – und bezahlt haben sie ihn dafür auch! Ihr Vater und ihre Mutter haben sich ausgiebig mit deinen Eltern unterhalten, und offenbar sind sie prächtig miteinander ausgekommen. Sie haben schon Freundschaft geschlossen.«
Und als Salvatore das hörte, kannte seine Bewunderung für das Mädchen, das er liebte, keine Grenzen. Ganz offensichtlich hatte er recht gehabt; es gab sehr wohl Vorbehalte gegen seine Familie. Und deshalb lockte sie ihre Eltern unter einem simplen Vorwand ins Haus seiner Familie, damit sie feststellen konnten, dass die Carusos sympathische Leute waren. Sie hatte begonnen, den Weg für ihre Heirat zu ebnen.
Er wartete gespannt auf ihren nächsten Schritt.
*
Im April wurde es wärmer, und Angelo kam wieder zu Kräften. Ende der zweiten Woche kehrte er in die Stadt zurück und erklärte, er könne wieder arbeiten. Er sah gut erholt aus.
Die Baustelle, auf der Salvatore zur Zeit beschäftigt war, lag an der Ecke Fifth Avenue und 45th. Der Bauträger war Mr French, und er hatte entschieden, dass das Gebäude seinen Namen tragen sollte – und das mit gutem Grund, denn es würde einer der schönsten Wolkenkratzer werden, die je gebaut worden waren.
Um zu verhindern, dass New York zu einem einzigen Gitter von dunklen Häuserschluchten verkam, hatte die Stadtverwaltung verfügt, dass Wolkenkratzer nicht durchgehend senkrecht hochgezogen werden durften, sondern dass jeweils in bestimmten Abständen Einzüge vorzunehmen seien, die Licht zur Straße durchließen. Bei wörtlichster Einhaltung dieser Vorschrift entstanden bisweilen Wolkenkratzer, die wie auf den Kopf gestellte Teleskope aussahen. Doch bald erkannten die Architekten, dass dies eine Gelegenheit war, komplexe Strukturen mit eleganten Abstufungen, Gesimsen und zurückversetzten Elementen zu erschaffen. Das French Building stand kurz vor seiner Vollendung, und mit seinem vom Ischtar-Tor inspirierten reliefierten Bronzeeingang und seinen hohen Terrassen, die an hängende Gärten erinnerten, hätte es im alten Babylon entstanden sein können. Schritt man durch seine prunkvollen Art-déco-Foyers, war es so, als trete man in einen Tempel. Doch am schönsten fand Salvatore die schwindelerregende Fassade aus warm orangefarbenem Backstein, der an den Kanten mit Dunkelrot und Schwarz abgesetzt war. Nirgendwo in New York gab es solches Ziegelwerk noch einmal.
Zwei Wochen lang hatten die Brüder gemeinsam an dem prächtigen Gebäude gearbeitet, und Angelo schien gern da zu sein, als Teresa in der Stadt auftauchte.
Würde sie Salvatore ihre Entscheidung mitteilen? Wie fast immer erschien sie in Begleitung ihrer Cousine. Sie schlug vor, alle könnten gemeinsam ins Kino gehen. Nach dem Film fragte sie, ob Onkel Luigi im Restaurant sei, denn sie habe ihn schon lang nicht mehr gesehen. Sicher, antwortete Salvatore.
Also gingen sie ins Restaurant, Salvatore lud alle zum Essen ein, und Onkel Luigi bediente sie. Beim Essen ging es lebhaft zu. Salvatore erzählte ein paar gute Witze, und alle bogen sich vor Lachen. Onkel Luigi, der die Nachrichten immer gierig verfolgte, konnte das Neuste über die kühnen Flugzeugführer berichten.
»Es ist nur noch eine Frage von Tagen«, versicherte er ihnen, »bis jemand den großen Preis gewinnt.«
Mr Orteig, der in Frankreich geborene Eigentümer des New Yorker Hotels Lafayette, hatte schon vor mehreren Jahren einen Preis von fünfundzwanzigtausend Dollar für den ersten Piloten ausgeschrieben, der ohne Zwischenstopp von Paris nach New York oder umgekehrt fliegen würde. Erst kürzlich waren zwei tapfere amerikanische Flieger,
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